Die „VICA - Die ambulante Pflege“ aus Coesfeld und die Sozialstation der Caritas Datteln haben probeweise die Blickrichtung gewechselt. Das Ergebnis: Deutlich weniger Zeit für die Dokumentation und damit mehr Zeit für den Patienten. Statt bis zu 70 Seiten Papier pro Patient reichen weniger als 20, statt drei Stunden sind Feststellung des Pflegebedarfs und Pflegeplanung in einer Stunde erledigt. Beide Sozialstationen haben an dem bundesweiten Modellprojekt zur Reduzierung des Dokumentationsaufwands in der Pflege teilgenommen. Für Jochen Fallenberg in Coesfeld und Dorothee Kainka in Datteln ist es jetzt keine Frage mehr, das neue System für alle Patienten einzuführen. Das allerdings, da sind sich beide einig, geht nicht von heute auf morgen, sondern erfordert erst einmal einen höheren Aufwand an Schulung und Formularanpassung. Zumindest sieht der Medizinische Dienst der Krankenkassen bezüglich der Prüfungen kein Problem und die Juristen geben ebenso grünes Licht.
Täglich fahren die VICA-Mitarbeiter ihre Runden, um die Patienten in Coesfeld, Rosendahl und Billerbeck zu versorgen. Jeder neu aufzunehmende Pflegebedürfte wurde bislang nach den "AEDL-Richtlinien" eingehend befragt und eingeschätzt. Dafür verlangten die "Aktivitäten und existenziellen Fragen des Lebens" eine Sezierung des Lebens in viele einzelne Aktvitätskreise. Aus dem Hilfebedarf in diesen Bereichen wurde die Pflegeplanung geschrieben, aus denen sich die Pflegeziele ergaben. Daraus wurden schließlich die erforderlichen Maßnahmen abgeleitet.
Bei je zehn Patienten ist versuchsweise die Blickrichtung gewechselt worden. "Entscheidend ist jetzt die Sicht des Patienten", erklärt Jochen Fallenberg: "Wir fragen erst einmal, warum braucht der kranke oder alte Mensch Hilfe." Sechs Themenfelder decken die bisherigen AEDL ab und führen in gestraffter Form zu einer pflegefachlichen Stellungnahme. Gelingt diese gut, hat man gleich den Pflegeablaufplan zur Hand, so Fallenberg.
Damit es funktioniert, sieht auch Dorothee Kainka die Notwendigkeit, die Mitarbeiter erst einmal zu schulen und zu begleiten. Die AEDL sind bislang Ausbildungsinhalt und geübte Praxis, da sei schon Aufwand für die Umstellung notwendig. Aber Jochen Fallenberg ist sicher, dass die Mühe lohnt: "Die Pflegeplanung ist jetzt besser an der Praxis orientiert und wird zu einem Arbeitsinstrument". Er will noch in diesem Monat die Grundstruktur stehen haben und ab April jeden neuen Patienten nach dem neuen System aufnehmen.
Die Qualität der Pflege für die Patienten sieht er nicht gefährdet. Im Gegenteil wird ihnen die gesparte Zeit zugute kommen. Künftig soll auch nicht jeder Handgriff täglich dokumentiert werden, sondern nur Abweichungen von der Routine. Jetzt steht die persönliche Beurteilung durch die Pflegemitarbeitenden und die tatsächliche Situation des Patienten im Vordergrund.
Schätzen werden die Patienten die Umstellung wohl nicht nur die für sie gewonnene Zeit, sondern auch dass sie nicht mehr mit Papier überhäuft werden. Wurde ihnen bisher für jedes Problem ein Infoblatt ausgehändigt, werde jetzt nur noch "anlassbezogen beraten", erklärt der Geschäftsführer der "VICA - die ambulante Pflege", die gemeinsam vom St.-Vincenz-Hospital und dem Kreiscaritasverband Coesfeld getragen wird.
Umstellen muss sich allerdings auch der MDK. Neue Prüfbögen werden benötigt und die neue Dokumentationsweise "muss heruntergebrochen werden bis zum letzten Prüfer", sagt Dorothee Kainka. Sie hofft jetzt neben dem Zeitgewinn auf eine Ersparnis. Die 45 Minuten, die allein für den Erstbesuch zur Erfassung der Daten notwendig waren, erstatte die Krankenkassen unverständlicherweise nicht: "Das ist wohl so, als wenn ich beim Bäcker zu den bezahlten Brötchen noch ein Brot umsonst dazu bekomme."
025-2014 28. März 2014