Pflege im Umbruch
Sie liefert dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit der Praxiserprobung die notwendigen Grundlagen. Die Erfahrungen aus dem seit über drei Jahren laufenden Projekt "Ergebnisqualität Münster - EQMS" werden in das zweite Pflegestärkungsgesetz einfließen, das 2017 in Kraft treten und unter anderem ein neues Prüfverfahren für die Qualität in der Altenhilfe beinhalten soll. Das kündigte Dr. Christian Berringer, Referatsleiter im BMG, auf einer Fachtagung des Diözesancaritasverbandes in Münster an.
Dabei fügen sich die Bausteine gut zusammen mit dem gemeinsamen Ziel, die Pflegequalität für alte und kranke Menschen zu erhöhen und die Mitarbeitenden in der Pflege zu entlasten, um ihnen dafür mehr Zeit mit Bewohnern und Patienten zu geben. Dr. Barbara Gansweid, die das Fachreferat Pflege beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) Westfalen-Lippe leitet, zeigte auf, dass die Systematik von EQMS und dem neuen Begutachtungsverfahren des MDK weitgehend deckungsgleich sind. Wenn der MDK den Pflegebedarf und damit die erforderlichen Leistungen aus der Pflegeversicherung ermittle, ergebe sich später bei der Qualitätsprüfung in Pflegediensten und Altenheimen kein Bruch.
Ebenso passt dazu das neue Dokumentationsverfahren "SIS". Die "Strukturierte Informationssammlung" soll das bisherige System ablösen und den Dokumentationsaufwand deutlich verringern. Im Januar startet das Projekt "PraxSIS", in dem die Mitarbeitenden in Sozialstationen und Altenheimen dafür geschult werden sollen. Damit unterstützt die Caritas in der Diözese Münster das Anliegen des Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, der eine breite Praxiserprobung für unablässlich hält, um das Verfahren durchsetzen zu können.
"Einfach mal zu machen und etwas ausprobieren," wie der Vorsitzende des Diözesancaritasverbandes Münster, Dr. Klaus Winterkamp, den Ansatz seines Verbandes formulierte, bestätigt sich in den Ergebnissen aus inzwischen mehreren Prüfrunden in EQMS. Über 100 Einrichtungen nehmen mittlerweile den zusätzlichen Aufwand neben dem "Pflege-TÜV" auf sich und begründen damit eine breite Datenbasis. Dr. Klaus Wingenfeld (Institut für Pflegewissenschaft Bielefeld), der das Verfahren mit seinem Team ersonnen hat, und Andrea Theßeling als Leiterin des St. Elisabeth-Pflegezentrums in Herten stellten beispielhaft Ergebnisse vor.
Weil die Altenheime darin miteinander verglichen werden, zeigt sich ein großer Anreiz, ständig nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Im Gegensatz zum derzeitigen Pflege-TÜV werden alle Bewohner einbezogen. So kann bis herunter zum Einzelfall nach Ursachen geforscht werden, wenn es ein negatives Ergebnis gibt.
Die bisherigen Beurteilungen "durchschnittlich" und dann entweder über- oder unterdurchschnittlich eignen sich, so Wingenfeld, allerdings nicht für eine Veröffentlichung. Das höre sich nicht gut an und könne auch ohne Hintergrundinformationen nicht verstanden werden. Als Idee stellte der Pflegewissenschaftler ein "Sternesystem" vor, wie es sich in den USA bewähre. Andrea Theßeling bestätigte, dass man nicht einfach "durchschnittlich" sein wolle. Es solle schon ein "gut" werden. Das neue System habe sich auch als "wunderbare Möglichkeit erwiesen, mit den Angehörigen ins Gespräch zu kommen," zeigte sie einen weiteren Vorteil auf.
Theßeling warnte allerdings vor dem Anspruch, Perfektion erreichen zu wollen. 100 Prozent seien in der Altenhilfe nicht möglich. Dass die Bewohner hochbetagt und in der Regel durch mehrere Krankheiten beeinträchtigt seien könne weder wegdiskutiert noch durch Pflege völlig ausgeglichen werden. Patricia Drube vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe Nordwest, wies darauf hin, dass beim derzeitigen Personalschlüssel keine Versorgung möglich sei, die dem fachlichen und gesellschaftlichen Anspruch gerecht werden könne. Die Bemessung des Personalbedarfs sei noch auf dem Stand Anfang der 90er Jahre.