Ein- oder zweimal im Monat besucht sie der ältere Mann, vor kurzem zugezogen und alleinlebend. Zusammen haben sie sich Fotos von Sehenswürdigkeiten in fernen Ländern angeschaut, dazu konnte er Geschichten aus seinem Leben erzählen. "Man muss sich Zeit nehmen", hat die 35jährige Sozialpädagogin gelernt.
Das Projekt, in dem Schuyesmans in Wesel-Büderich und Lukas Henzler in Dinslaken und Voerde tätig sind, ist der neueste Baustein im Beratungs-Netzwerk des Verbandes. Das übergreifende Ziel ist für Caritasdirektor Michael van Meerbeck klar: Menschen sollen wieder Gemeinschaft finden, selbständig zuhause leben können, solange das Sinn macht. Und wenn es nicht mehr geht, darin unterstützt werden, geeignete Plätze in Tagespflege oder Altenheim zu finden. All das will die Caritas inklusive Wohnraum- und Demenzberatung bis hin zur Begleitung am Lebensende organisieren.
Dazu braucht es ein Team mit unterschiedlichen Schwerpunkten, das eng zusammenarbeitet. Mit 17 Mitarbeitenden ist es bei der Caritas Dinslaken-Wesel der größte Bereich nach der Beratung für Kinder, Jugendliche und Familien. "Eigentlich noch zu wenig", muss van Meerbeck feststellen. Und nur ansatzweise zu schaffen mit der Unterstützung von rund 130 Ehrenamtlichen.
Es geht nicht zuletzt um Einsamkeit wie bei dem gut 80jährigen, der Pia Schuyesmans regelmäßig besucht. Die Frau oder der Mann gestorben, die Kinder weit weg, nur noch wenige oder keine Verwandten oder Bekannten mehr, ist eine typische Konstellation. Dafür will sie Gruppenangebote organisieren, die seit dem Start des Projekts wegen Corona noch nicht möglich waren. Für das Knüpfen neuer Kontakte bieten sich auch Seniorenreisen an.
Ganz häufig sind es allerdings Fragen rund um die Pflege, berichtet Jessica Tepass, die den Bereich der Altenberatung leitet. Da kommen in der Regel die Angehörigen und vor allem "die Frauen, wenn das Paar in der Beratung ist", beobachtet Tepass. Meist gehe es um die Finanzierung von Entlastungsangeboten und entsprechend laute standardmäßig die erste Frage: "Haben Sie einen Pflegegrad?"
Ohne wird es noch schwieriger mit der Finanzierung von Pflege, hauswirtschaftlicher Unterstützung oder einem Platz in der Tagespflege. Selbst bezahlen können das die wenigsten, die zur Caritas kommen. Altersarmut werde immer mehr zum Thema, sagt Jessica Tepass. Michael van Meerbeck registriert, dass zunehmend über 70jährige berichten, dass sie noch etwas hinzuverdienen müssten: "Diese Notwendigkeit dürfte nicht bestehen".
Mit Geldmangel aber auch einem weiteren Problem in der Altenberatung kämpft Olaf Saddeler ständig. Der Architekt berät mit zwei Kolleginnen zum barrierefreien Wohnen, damit das selbständige Leben in der eigenen Wohnung länger möglich bleibt. Technisch geht viel, aber meist hat er es mit wenig begüterten Haushalten zu tun und eher zurückhaltender Zuschussbereitschaft der Kranken- und Pflegekassen. Hinzu kommt die Scheu, "Schwäche" zu zeigen.
Das Alter eher auszublenden und schon gar nicht sichtbar werden zu lassen, beobachtet auch Beate Herdina vom Hospizdienst: "Anders als sonst befassen sich die Menschen nicht mehr mit dem Altwerden und Sterben". Tendenz sei, unangenehme Situationen zu vermeiden. Entsprechend gebe es einen großen Bedarf an Beratung zu Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen.
Viele möchten solange wie möglich in der eigenen Wohnung leben. Das unterstützt das Beratungsteam - aber nur soweit es Sinn macht. "Wenn wir die Menschen über Jahre begleiten und sehen, dass es nicht mehr geht, dann sagen wir auch, dass das Altenheim eine gute Lösung ist", sagt Petra-Maria Brüggemann aus der Alten- und Demenzberatung.
Wichtig für das Netzwerk ist, möglichst viele Akteure im Sozialraum einzubinden. Daran arbeitet Pia Schuyesmans und hat schon einige für ihr Projekt gewonnen. Der alteingesessene Arzt gegenüber schickt Patienten über die Straße zu ihr, ebenso der Apotheker. Sie hat ihr Büro erst einmal in einem alten Wohnhaus an der Weseler Straße bezogen, deren Bewohner verstorben sind. Die Einrichtung ist bis hin zu den dicken Schmuckkerzen im Regal noch weitgehend original und fordert von ihrer älteren Klientel kein großes Umgewöhnen.
Wenn demnächst der Umzug in die neue Tagespflege ansteht, wird das keine Herausforderung für die Büdericher sein. Dafür wird gerade die aufgegebene Dorfgaststätte mitten im Ort umgebaut. Vertrauen ist für Schuyesmans der Einstieg, der vieles möglich macht, und dafür sind vertraute Orte ein guter Anfang. Auch wenn noch nicht klar ist, ob die Theke erhalten werden kann.
021-2022 (hgw) 28. März 2022