Juliane Büker / Caritas für das Bistum Münster
Wenn ein gewalttätiger Vater darauf besteht, das eigene Kind zu treffen, haben Frauen oft das Nachsehen. Väter haben ein Recht auf Umgang mit ihren Kindern. Diesem Recht wird häufig Priorität eingeräumt - vor dem Schutz der Mütter, beobachten die Mitglieder der Konferenz der Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen (NRW). Dabei müssen Frauen sich unter Umständen körperlicher oder seelischer Gefahr aussetzen.
Familiengerichte verfolgen in der Regel das Ziel, eines einvernehmlichen Umgangs, wenn Eltern sich trennen. Es soll zum Wohl des Kindes ein Weg gefunden werden, gut und fair miteinander umzugehen. Wenn zwischen Eltern Gewalt stattgefunden hat, ist der Weg vieler Familiengerichte so aber nicht mehr passend.
"Die familiengerichtlichen Verfahrensregelungen sind geprägt vom Leitbild einer einvernehmlichen Verständigung zwischen den Beteiligten. Die einer Mediation in Familiensachen zugrundeliegende Idee, dass beide Elternteile gemeinsam eine einvernehmliche und faire Regelung entwickeln, greift allerdings nicht bei gewaltbesetzten Beziehungen. Der richterliche Verzicht auf getrennte Anhörung oder das gerichtliche Hinwirken auf eine vergleichsweise Lösung erfolgt oft zum Nachteil der gewaltbetroffenen Frau.", sagte Lorenz Bahr, Staatssekretär des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKJFGFI) in einem Eingangsstatement während des Fachtags der Konferenz der Frauenhäuser NRW in Essen am 28. November 2023. Artikel 31 der Istanbul-Konvention setzt klare Maßstäbe für die Berücksichtigung von vorhergehender häuslicher Gewalt in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren. Auf Initiative Nordrhein-Westfalens und des Saarlands hat die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) in ihrer diesjährigen Tagung einen Beschluss zur Umsetzung des Artikels 31 Istanbul-Konvention gefasst. Unter anderem hat sie den Bund gebeten, den sich aus Artikel 31 ergebenden gesetzgeberischen und sonstigen Handlungsbedarf kurzfristig und mit hoher Priorität zu prüfen und umzusetzen. Eine Reform der aktuellen Regelung fordert auch die Konferenz der Frauenhäuser NRW.
Die Istanbul-Konvention gilt in Deutschland seit 2018. Sie befasst sich mit der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Bisher würden diese Werte im deutschen Rechtssystem allerdings an vielen Stellen noch nicht gelebt, sagte Rechtsanwalt Dr. Thomas Meysen. Auf dem Fachtag der Konferenz der Frauenhäuser NRW tauschten sich deshalb unter anderem Vertreterinnen und Vertreter aus der Justiz und der Jugendämter sowie Frauenhaus-Mitarbeitende in einer Podiumsdiskussion dazu aus.
Angelique Yumusak ist aktive Polizistin und selbst Gewalt-betroffene Mutter. Sie berichtet, beim Blick auf Väter und Mütter werde häufig mit zweierlei Maß gemessen, was das Problem für Frauen als Opfer von Gewalt zusätzlich verschärfe: "Wenn eine Frau sich Hilfe holt, wird das schnell negativ ausgelegt, ‚Ah, die ist jetzt psychisch krank‘. Statt zu sehen, dass sie sich um sich kümmert, auch, um wieder eine gute Mutter sein zu können." Hilfeholende Väter würden eher für ihre Verantwortungsübernahme gelobt.
Neben der Notwendigkeit, Frauen durch eine Gesetzesreform besser vor Gewalt zu schützen, steht als Ergebnis der Diskussion auch: Es ist notwendig, dass gesellschaftliche Ansprüche gegenüber Müttern und Vätern, Frauen und Männern fairer gelebt werden. "Väter müssen auch für den Schutz vor Gewalt sensibilisiert werden", sagte Monika Weber, Mitarbeiterin des Landesjugendamtes des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe. Dagmar Freudenberg, ehemalige Staatsanwältin, ergänzte ein Beispiel für einen Umgang mit gewalttätigen Vätern in Österreich: "Den Tätern wird auferlegt, dass sie Beratungstermine absolvieren müssen. Über Pflicht-Beratung lässt sich streiten. Aber diese extrinsische Motivation ist erst einmal wichtig, glaube ich. Das bräuchten wir auch."
Frauen, die in ihrer Partnerschaft Gewalt erleben, finden Schutz in rund 70 Frauenhäusern in Nordrhein-Westfalen. In diese Schutzräume können sie auch ihre Kinder mitnehmen. Nach einer oft langen leidvollen Zeit geht es dann darum, aus der Sicherheit heraus neue Perspektiven für das eigene Leben zu entwickeln. Opfer von Partnerschaftsgewalt sind zu 80 Prozent Frauen. Die Verletzungen, die bei Gewalt von Männern gegen Frauen entstehen, sind deutlich gravierender.
Die Konferenz der Frauenhäuser NRW setzt sich zusammen aus Vertretern von Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Parität, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie, Jüdische Gemeinden und der Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser NRW.
058-2023 (bü) 4. Dezember 2023