Der 20-jährige Sajad Bakhtiari fühlt sich wohl bei der Caritas im Bistum Münster.Foto: Carolin Kronenburg / Caritas im Bistum Münster
Die Flucht aus Afghanistan, die Trennung von seinen Eltern und das schwere Ankommen in Deutschland - das alles hat Sajad Bakhtiari gemeistert. Jetzt macht der 20-Jährige eine Ausbildung beim Diözesancaritasverband in Münster. Die Geschichte eines starken jungen Mannes.
Eine Party hat Sajad Bakhtiari an seinem 20. Geburtstag nicht gemacht, weil er am nächsten Tag zur Arbeit musste. Gefeiert wurde dann erst am Wochenende, nachdem er auch seinen Führerschein erfolgreich bestanden hatte. Seit dem 1. August 2022 macht er beim Diözesancaritasverband in Münster eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement. Für einen jungen Mann ist er sehr, vielleicht sogar ein bisschen zu vernünftig. "Seitdem ich 13 Jahre alt bin, lebe ich ohne meine Eltern und musste viele Sachen selbst entscheiden", sagt Bakhtiari. "Ich habe immer versucht, eine Balance zwischen Schule und Bildung sowie Freizeit zu finden."
Geboren ist er in Balch im Norden Afghanistans, nahe Masar-e Scharif. Über sein Herkunftsland spricht er ungefragt nicht. Bedacht wählt er die Worte, mit denen die Vergangenheit erwacht. Nach der Flucht aus Afghanistan hatte die Familie bereits einige Jahre im Iran gelebt. 2016 brachen sie dann zu Fuß in Richtung Deutschland auf und wurden im Grenzgebiet zur Türkei getrennt. Mutter, Vater, ein Bruder und eine Schwester blieben zurück. Bakhtiari, damals 13 Jahre alt, ging mit seinem 15-jährigen Bruder und seinem 14-jährigen Cousin weiter. Sie überquerten das Mittelmeer in einem Schlauchboot für 30 Menschen, das mit 65 besetzt war, und ließen alles hinter sich.
Das Ankommen in Deutschland war nicht leicht. Nach Stationen in der Nähe von München, Gießen, Dortmund und Witten lebte Bakhtiari ein Jahr in einer in einer Wohngruppe in Münster, dann fünf Jahre in einer Pflegefamilie in Laer. Mit Hilfe des Pflegevaters, einem stellvertretenden Schulleiter, hat er den Realschulabschluss und das Fachabitur gemacht. Alles, was beim Lernen mit Zahlen zu tun hat, fällt ihm leicht, bei der Rechtschreibung gibt es, wie er selbst sagt, "noch Luft nach oben". Seine Eltern und Geschwister konnten 2020 nachkommen und leben seither im Sauerland. Das Wort "Heimat" hat für ihn wenig Bedeutung. "Ich bin multikulti, ein Mix aus Afghanistan und Deutschland." Wenn er einmal Kinder hat, wolle er, "dass sie nicht das erleben müssen, was ich erlebt habe".
Der 20-Jährige hatte mehrere Zusagen für Ausbildungsplätze und hat sich ganz bewusst für den Diözesancaritasverband entschieden. Warum? "Is halt Caritas!" Mit und für Menschen zu arbeiten, das macht ihm Freude. Am besten gefällt ihm das gute Arbeitsklima. Als Moslem bei der Caritas, das ist für ihn kein Widerspruch - im Gegenteil: "Ich respektiere alle Religionen." Seine Ausbildung möchte er erfolgreich abschließen und später noch berufsbegleitend studieren.
Inzwischen hat er eine eigene Wohnung und kommt jeden Morgen mit dem Fahrrad zur Arbeit. Der hilfsbereite, nachdenkliche junge Mann, der gerne Hip Hop und Afro-Musik hört, ist eine Bereicherung für die Caritas. Er trägt mehr Lebenserfahrung in sich, als in 20 Jahre passen. "Man muss die Dinge, die man nicht ändern kann, akzeptieren", sagt Bakhtiari. Und die Chancen die das Leben bietet, müsse man nutzen - wie die Ausbildung bei der Caritas.
Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich - die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto "Not sehen und handeln" sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM - Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.
Info: www.caritas-muenster.de/arbeitenindercaritas/ausbildung
032-2023 (ck) 4. Juli 2023