14 infizierte Mitarbeitende und 34 betroffene Bewohner zählte Heimleiter Wilhelm Rohde am Freitagmorgen. Er fürchtet, dass er in der kommenden Woche eine Notstandsmeldung abgeben muss, weil die Versorgung nicht mehr sichergestellt werden kann.
Immer schwieriger wird die Lage ebenso in den ambulanten Pflegediensten und den Kliniken. "Wie befürchtet wird nicht die Impfpflicht unser Problem sondern die Infektionslage", sagt Klaus Schoch, Abteilungsleiter Gesundheitshilfe im Diözesancaritasverband Münster. Man werde sich an das Landesgesundheitsministerium wenden, damit Hilfsorganisationen und notfalls auch die Bundeswehr wieder zur Unterstützung gerufen werden können.
Bislang gibt es noch keine generelle Notlage. Kliniken, Altenheime und Pflegedienste sind im Einzelfall heftig betroffen, überwiegend wird das Ausbruchgeschehen derzeit als beherrschbar beschrieben. "Allerdings ist die Sorge groß, weil sowohl die Zahl der betroffenen Patienten als auch der ausfallenden Mitarbeitenden steigt," erklärt Schoch.
Dabei sind es nicht nur die trotz Impfquoten in allen Pflegebereichen von weit 90 Prozent auftretenden Infektionen, die zu Ausfällen führen. Zunehmend können Mitarbeitende nicht zum Dienst kommen, weil die Betreuung ihrer Kinder nicht mehr gesichert beziehungsweise sie infiziert sind. Matthias Wittland, Vorstand im Caritasverband Ahaus-Vreden beziffert diese Quote zwischen einem Drittel bis zur Hälfte der Ausfälle in den Diensten. Markus Weber von der ambulanten Diensten der Caritas Warendorf gibt die Ausfallquote insgesamt "mit in der Spitze 30 Prozent" an.
Auch wenn die Entwicklung nicht überraschend kommt, muss im Fall eines größeren Ausbruchsgeschehens drastisch gegengesteuert werden. Das Vincenz-Hospital in Coesfeld hat angekündigt, dass ab dem 7. Februar für zunächst zwei Wochen alle planbaren Operationen abgesagt werden, möglicherweise müssten auch Stationen geschlossen werden. Viele an Corona erkrankte Patienten treffen hier auf eine ausgedünnte Mitarbeiterschaft. Auch andere Häuser melden steigende Zahlen, das Prosper-Hospital in Recklinghausen lag am Donnerstag bei 50, das Franziskus-Hospital in Münster bei 40. Diese Größenordnungen nennen weitere Kliniken.
In den ambulanten Diensten der Caritas Ahaus-Vreden sind verschiedene Ausgleichsmaßnahmen ergriffen worden. Soweit möglich werden die Versorgungsaufträge reduziert, ehemalige Mitarbeitende sind angesprochen worden und man hilft sich zwischen den Diensten aus. Nach einem Aufruf an die Bevölkerung hätten sich schon einige Freiwillige gemeldet, sagt Matthias Wittland.
Im Agnes-Heim in Rhede hat sich die Situation schon so zugespitzt, dass Wilhelm Rohde einen erneuten Einsatz der Hilfsorganisationen für erforderlich hält. Mit dem Malteser Hilfsdienst habe man schon im vergangenen Jahr gut Erfahrungen gemacht. Allerdings sei beim Einsatz von Ehrenamtlichen zu bedenken, dass sie zunächst einmal noch einen Job hätten. Aber schon zu wissen, dass eine Entlastung in Aussicht ist, vielleicht gerade auch am Wochenende, könne die noch nicht infizierten Mitarbeitenden entlasten, so Rohde. Die übernähmen schon soviele Dienste wie nur eben möglich und seien ziemlich erschöpft.
Irritiert ist der Heimleiter über die Ämter. Das Gesundheitsamt hält ein Besuchsverbot für notwendig und machbar, die Heimaufsicht jedoch nicht. Man warte jetzt darauf, dass sie sich einig werden. Empfohlen werde auch, keine neuen Bewohner aufzunehmen. Tatsächlich habe man zwei alte Menschen in den vergangenen Tagen nicht aufgenommen, sagt Rohde, aber das bringe kaum Entlastung.
Auch wenn es gelingt, die akute Welle jetzt zu überstehen, reichen Matthias Wittlands Sorgen weiter in die Zukunft: "Wir beobachten aktuell, dass die Symptome bei Mitarbeitenden heftiger ausfallen als bei Bewohnern, die meist mit leichten Erkältungssymptomen durch die Infektion kommen". Möglicherweise liege das daran, dass die Mitarbeitenden einfach erschöpft und ihr Immunsystem deshalb geschwächt sei. Darauf deute auch hin, dass es die große Krankheitswelle bei den Mitarbeitenden im vergangenen Jahr erst im Sommer und danach gegeben habe, nachdem sich die größte Anspannung gelöst habe.
Soweit wie möglich will Wittland weiter vorbeugen. 99 Prozent der Mitarbeitenden und Bewohner seien geimpft, aber schon am Tag der StÎko-Empfehlung für die vierte Impfung habe man mit den Vorbereitungen dafür begonnen, um möglichst bald die nächste Impfkampagne starten zu können.
015/2022 (hgw) 4. Februar 2022