Stefanie Tegeler ist Flüchtlingsbeauftragte des Bistums Münster und Leiterin des Referats Soziale Arbeit beim Diözesancaritasverband.Foto: Juliane Büker / Caritas im Bistum Münster
Die Flüchtlingsbeauftragte des Bistums Münster und Leiterin des Referats Soziale Arbeit beim Diözesancaritasverband, Stefanie Tegeler, ordnet die aktuelle Debatte im Interview mit kirche-und-leben.de ein und fordert eine Rückbesinnung auf die Menschenrechte: "Deutschland ist an die Genfer Flüchtlingskonvention und die Charta der Grundrechte gebunden. Daraus lässt sich ein Schutz für Geflüchtete ableiten." Den Vorstoß von Frei bezeichnet Tegeler als "reine Symbolpolitik".
Die Diskussion treffe in eine Zeit gesellschaftlicher Veränderungen und Unsicherheiten. Komplexe Problemlagen wie die Aufarbeitung der Corona-Pandemie und die Folgen des Kriegs in Europa "sorgen für Ängste und bringen Gewissheiten ins Wanken". "Die AfD und andere Gruppen merken, dass das Thema verfängt", sagt Tegeler im Interview. Zum Beispiel, wenn die Kommunen trotz der Wohnungsknappheit Unterkünfte für Schutzsuchende einrichten müssen. Dann laute die einfache Antwort der Rechtspopulisten, dass Geflüchtete das Problem sind. Strukturelle Probleme sofort mit Geflüchteten in Verbindung zu bringen und sie verantwortlich zu machen für die Komplexität gesellschaftlicher Herausforderungen, ist laut Tegeler aber unzulässig. Für Rechtspopulisten seien Geflüchtete "dankbare Sündenböcke, weil sie keinerlei Repräsentation und kaum eine Lobby haben".
Die Caritas setze sich als Teil der Kirche "anwaltschaftlich für Schutzsuchende und gegen Vorurteile und Exklusion ein", hebt Tegeler im Gespräch mit kirche-und-leben.de hervor. "Man muss immer wieder betonen, dass es Fluchtursachen gibt, also Push-Faktoren, die viel wichtiger sind als Pull-Faktoren, die angeblich Tausende nach Deutschland ziehen", erläuterte die Politikwissenschaftlerin. "Wer sein Heimatland verlässt, sieht keinen anderen Ausweg. Und da lockt sicher nicht die Aussicht, von 500 Euro Bürgergeld zu leben."
Die Politik habe gute Ansätze wie etwa das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und die erleichterte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse auf den Weg gebracht. Aber es sei noch nicht gelungen, gesellschaftlich eine positive Einstellung zu Zuwanderung und Pluralität zu vermitteln. Tegeler: "Da sehe ich die Politik und die Parteien, aber auch die Kirche gefordert."
Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich - die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto "Not sehen und handeln" sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM - Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.
035-2023 (ck) 10. August 2023