Ihre Erfahrungen und Hinweise zur kompetenten Nutzung digitaler Kanäle teilte sie in einem Online-Workshop zum Thema "Demokratie und Digitalisierung" im Rahmen des Projektes "Next Step - Demokratie und Beteiligung gestalten" des Diözesancaritasverbandes Münster. Verschwörungstheorien und Fake News würden zunehmend gefährlich, sagte Weisband: "Wenn wir nicht über Fakten diskutieren können, funktioniert Demokratie nicht". In der Diskussion schälten sich andererseits Chancen der digitalen Kommunikation auch für die soziale Arbeit heraus.
Euphorisch als Schülerin über die Fülle an leicht erreichbarer Information Anfang des Jahrtausends im Internet gestartet berichtete Weisband von späterem Mobbing und verbalen Attacken im Netz. Dass Beteiligung so einfach wie nie war, habe sie zu den Piraten geführt. Diese Illusion sei allerdings zerstoben. Digitale Beteiligungsmöglichkeiten machten politische Arbeit "nicht automatisch besser und demokratischer", hat die Diplom-Psychologin erfahren müssen, die mittlerweile für Bündnis 90/Die Grünen aktiv ist: "Das Internet verbindet auch böse Menschen".
Letztlich sei die Digitalisierung jedoch nur "der große Verstärker vorhandener Tendenzen", erklärte Weisband. Internet und Soziale Medien könnten deshalb auch ein Segen für die Gesellschaft sein und zu einer solidarischen Gemeinschaft beitragen. Problem sei allerdings, dass "Querdenker" und Politik das Instrument der Fake News nutzten, um Menschen von falschen Theorien zu überzeugen oder zu verwirren. Als Verstärker wirkten dabei vor allem die Messenger-Dienste, die sich im privaten Raum einer Kontrolle entzögen. 84 Prozent der Informationen würden im "Dark Social Net" ausgetauscht.
Als wichtige Strategie dagegen benannte Marina Weisband die "Gegenrede", vor allem für die "stillen Zuschauer", die nur mitlesen, aber nicht selbst in die Debatte eingreifen. Es sei immer zu unterscheiden, was Meinung und was Tatsachen seien. Um die beurteilen zu können, solle eine zweite oder weitere Quellen für die Information gesucht werden. "Dummen Menschen" solle man "kein Engagement schenken", also abwägen, welchem Kommentar man widerspricht.
Auf übergeordneter Ebene hält es Weisband für erforderlich, nicht gewinnorientierte Plattformen zu schaffen wie in vordigitalen Zeiten mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Weil die Sozialen Medien auf Gewinnmaximierung angelegt seien, liege es in ihrem Interesse, Emotionen zu transportieren. Am besten funktioniere dabei Wut, so Weisband. Das liege auch daran, weil "die meisten Menschen den Nachrichten glauben wollen, die in ihr Weltbild passen". Gefragt seien einfache Antworten in einer zunehmend komplexeren Welt. Für den Umgang mit den digitalen Medien brauche es deshalb "ein hohes Maß an Selbstreflexion".
Bei all diesen Risiken biete das Netz andererseits viele Chancen. Dazu brauche es allerdings eine "Kultur der Digitalität", das Bewusstsein, "gemeinsam etwas Besseres schaffen zu können, als allein möglich wäre", erklärte Weisband. Fortbildung und die Vernetzung von Bildungsinstitutionen schlug die Netzaktivistin auf dem Weg dorthin vor. "Volkshochkneipen" könnten digitale und analoge Welt verzahnen. Gelinge das, könne die Selbstwirksamkeit in der Begegnung gestärkt werden. Als Beispiel nannte Weisband die Baumscheibe, die sie mit ihrer Tochter nach Aufforderung der Stadt begrünt habe. Durch den digitalen und dann persönlichen Austausch habe sie ihre Nachbarn kennengelernt, mit denen sie jetzt die Idee gemeinsam umsetze.
Genauso gut gelinge das, wenn man Senioren und Jugendliche zusammenbringe. Die einen brächten ihre Lebenserfahrung ein, die anderen ihre Kenntnisse in der digitalen Welt. Letztlich habe die Digitalisierung viele Hürden abgebaut, "die vorher für selbstverständlich gehalten worden sind", sagte Weisband. Die Pandemie habe diesen Prozess deutlich beschleunigt. Letztlich diene dies der Inklusion, denn es werde Menschen die Teilnahme ermöglicht, die ihnen in Präsenz verwehrt gewesen wäre. Was dann in der Konsequenz auch bedeute, dass Jeder, auch Hartz-IV-Empfänger, ein Recht auf Internetzugang und Geräte dafür haben müsse.
020-2022 (hgw) 25. Februar 2022