Das Flammenkreuz der Caritas
Was suche ich hinter einem Zeichen wie dem der "Caritas"? Hinter diesem Zeichen suche ich qualitätsvolle Arbeit, mehr als gute Worte, Verlässlichkeit, Menschenkenntnis, Taten der Hoffnung in einer Welt voller Irritation, Verzweiflung und Menschenverachtung.
Und was suche ich dort nicht? Einen Interessenverband wie manche dieser Art, eine öffentlich-rechtliche Anstalt, eine Behörde mit Bürostunden, Aktenbergen, Stechuhr, Bilanzen, Management und Lobby. Hinter diesem Zeichen suche ich menschliche Menschen.
Und das Kreuz? Als Christ weiß ich, was mich hinter diesem Zeichen erwartet. Ich suche dort Jesus Christus und unsere Erlösung. Das Kreuz - mit ihm segne ich mich und werde mit ihm gesegnet, jenes Kreuz, mit dem Kinder und Heranwachsende, Alte und Junge, Gesunde und Kranke, Lebende und Sterbende bezeichnet werden. "Ave crux - spes unica - sei gegrüßt, du Kreuz, unsere einzige Hoffnung". Zeichen, das Heil und Heilung bedeutet; Zeichen zu Beginn des Tischgebets (mitunter der restliche Augenblick, wo die Mitglieder einer Familie Gemeinschaft mit Jesus haben). Zeichen der Liturgie, Trostbild bei so manchem Begräbnis, wo sonst kein Trost mehr verfängt. Zeichen, von dem ich Kräftigung erwarte und die Kraft zur Kräftigung anderer - sie, die auch meine Hilfe nötig haben: Schwache, beiseite Geschobene, Verachtete, Unbeachtete, "Randfiguren" des Lebens. Jenes Kreuz, das ich immer wiederfinde: in Kirchen, Häusern, Zimmern, an Wänden, sogar auf Schreibtischen, im Andenkenkitsch frommer Souvenirläden und im Schaufenster der Antiquitätengeschäfte, in der Schreibnische eines Poeten, dessen Denken, Dichten und Leben mir glaubwürdig erscheint.
Und das Kreuz, das die "Caritas" bezeichnet? Ein Kreuz, denke ich, das Feuer schlägt. Ein Funke, der andere entzündet oder dies bewirken könnte. Feuer verheißt Gefahr. Wenn die Flammen aus einem Dach schlagen, ist es höchste Zeit zu löschen. Oder sollen Haus und Inventar niederbrennen? Feuer ist aber auch ein Zeichen für Wärme und Geborgenheit. Brennt der Herd im Hause, dann herrschen Ruhe und Friede.
Und das Flammenkreuz der Caritas? Wer das Zeichen sieht, dem sollte es warm werden ums Herz und leichter; der sollte wissen dürfen, dass ihm unter einem solchen Zeichen Wärme, Menschenfreundlichkeit, Herzlichkeit entgegenschlägt. Er sollte spüren, dass er hier Schutz, Beistand, Verständnis und Mitgefühl erwarten kann, gleich, woher er kommt und wohin er geht; gleich, wer er ist und welche Sprache er spricht; gleich, was er glaubt, denkt und meint tun zu müssen.
Das Flammenkreuz - ich verstehe es wie ein Signal - nicht zu übersehen, wie ein Brandmal der Liebe zu Gott und den Menschen (und das ist dieselbe Sache). Wie der kraftvolle Ton einer Trompete, Signal eines Instruments, das einen reinen Ton von sich gibt. Und das nicht zuerst, um Hiobsposten zu verkünden, sondern den kraftvollen Atem einer guten Sache, ein, zwei Schritte auf dem Weg zu Gemeinde und Gemeinschaft, das Signal einer ansteckenden Initiative; etwas, das die "Müdigkeit der Guten" aufweckt und in die Spontaneität derer verwandelt, die den Mut zur Liebe leben. Das Kreuz, unter das sich die Caritas gestellt hat - Zeichen leidenschaftlicher Vernunft der Nächstenliebe.
(Erich Kock, geboren 1925, ist Journalist und Schriftsteller. Unter anderem war er Redakteur der Zeitschrift Caritas in NRW und in den 60er Jahren Sekretär von Heinrich Böll.)