"Damit ich meine Serie nicht verpasse", sei die Begründung der Hausfrau gewesen. Turnschek ist einer von einem knappen Dutzend "Stromsparcheckern" beim Katholischen Sozialdienst Hamm (KSD). Seit November 2013 hat er Dutzende von Haushalten besucht und Tipps gegeben, wie Energie und Wasser gespart werden können. Da gibt es eigentlich nicht mehr viel, was ihn überraschen kann.
Der erste Besuch an diesem trüben Wintermorgen zusammen mit seinem Kollegen Andreas Pahl (29) ist da eher von der normalen Sorte. Wie so oft lohnt es sich sofort für die 27jährige alleinerziehende Mutter, die mit ihrem 15 Monate alten Sohn auf dem Arm die Wohnungstür öffnet. Ein Blick in ihre Nebenkostenabrechnung zeigt Michael Turnschek, dass sie 4,21 Euro pro Monat vom Jobcenter einfordern kann für den Stromverbrauch der Heizungspumpe. Ein scheinbar kleiner Betrag, aber mehr als ein Prozent ihres ALG-II-Satzes.
Haushalte, die von Arbeitslosengeld II leben müssen, können die kostenlose Beratung im Rahmen des Projekts Stromspar-Check nutzen. Neben Tipps gibt es noch kostenlos Energiesparbirnen, abschaltbare Steckerleisten und Durchflussbegrenzer für Wasserhähne und Duschköpfe im Wert von bis zu 75 Euro dazu. Die Familien sparen Geld und die Jobcenter ebenso, weil sie Heizung und Warmwasser zusätzlich zum ALG-II-Satz bezahlen müssen.
Nicht zu unterschätzen ist zudem der Gewinn für die Stromsparchecker. Sie kennen lange Arbeitslosigkeit und das Leben mit wenig Geld aus eigener Erfahrung. Hier bekommen sie eine Chance auf ein kleines Zusatzeinkommen von 1,50 Euro pro Stunde, vor allem aber eine sinnvolle Beschäftigung. Michael Turnschek ist heilfroh darüber. In einer Firma für Elektrotechnik in Berlin hatte er sich vom Azubi bis zum Prokuristen hochgearbeitet, bis sie plötzlich Insolvenz anmelden musste und er in ein tiefes Loch fiel. Jetzt ist er seit über zwei Jahren dabei und hofft, als Fachanleiter über die normale Beschäftigungszeit von 24 Monaten hinaus im Stromsparcheck arbeiten zu können.
Mit vielen unterschiedlichen Menschen und ihren Geschichten zu tun zu haben, fasziniert auch Andreas Pahl. Einige Jahre hat er in der Metallbranche gearbeitet, allerdings ohne Ausbildung, bevor er arbeitslos wurde. Die Arbeit als Stromsparchecker bestärkt ihn darin, dass er künftig "etwas mit Menschen machen will" und sich eine entsprechende Ausbildung suchen wird.
Maria-Elisabeth Lang, die dieses gemeinsame Projekt mit der Caritas Hamm und dem SKM Dortmund koordiniert, hat es immer wieder erlebt, wie diese neue Aufgabe die Männer und Frauen wieder aufgerichtet hat: "Man sieht, wie sie daran wieder wachsen". Ihr Engagement lässt sich auch an den Zahlen ablesen. 825 Haushalte war die Vorgabe für die ersten 26 Monate, 1.700 haben sie tatsächlich geschafft.
Wenn sie auch nur Kleinigkeiten finden wie die auszutauschenden Birnen oder Durchflussbegrenzer kommt doch eine große Summe dabei heraus. Über 3,4 Millionen Kilowattstunden Strom im Wert von 850.000 Euro sind allein in Hamm schon gespart worden und nochmal drei Millionen KWh für die Warmwasserbereitung. Das bedeutet rund 54 Tonnen CO2 weniger.
Bei einem Erstbesuch erfassen die Zweier-Teams die Daten der Haushalte, schauen sich technische Voraussetzungen an und messen die Kühlschranktemperatur. Nach Eingabe in die Datenbank zeigt sich, wo die Familie im Vergleich steht. Was zu tun ist, ergibt sich schon aus Erfahrung. Im nächsten Haushalt an diesem Morgen steht dazu der Zweitbesuch an. 96 Euro mögliche Ersparnis hat die Berechnung ergeben. Andreas Pahl hat einen ganzen Stoffbeutel mit LED-Birnen dabei, die vor allem gegen Halogenstrahler gewechselt werden sollen. Überraschend passen sie nicht in die Fassungen im Flur, aber zumindest in den Bädern und im Kinderzimmer wird jetzt sparsam geleuchtet.
Oft treffen die beiden auf viel zu hohe Stromrechnungen. Häufig ist es Unkenntnis, da können sie mit Tipps helfen. Wenn, wie es Turnschek in einer Familie erlebt hat, dreimal die Woche ein Vollbad genommen wird und das Wasser dafür durch den elektrischen Durchlauferhitzer läuft, sind Stromschulden leicht erklärbar. Die Pauschale, die in Hartz IV dafür eingerechnet ist, ist eigentlich zu knapp bemessen. Stromschulden sind deshalb ein großes Thema in den sozialen Diensten der Caritas.
Ein Verbrauch von nur 217 Kilowattstunden im Jahr erstaunt dann umso mehr. Das ist eines der besonderen Erlebnisse, die Michael Turnschek als kleine Geschichten aufschreibt. Die alte Frau hatte ihren Mann verloren und fühlte sich ihm abends bei Kerzenlicht nahe. "Einen Fernseher hat sie nicht und zum Kochen nur eine Mikrowelle", erzählt der 50jährige. Außerdem wasche sie außerhalb und brauche nur sehr wenig warmes Wasser.
Sorgen, dass Ihnen die Haushalte ausgehen, müssen sich die Stromsparchecker um ihren Anleiter Mohamed Djellouli nicht machen. Er steht zweimal in der Woche mit Maria-Elisabeth Lang an einem Stand im Jobcenter, um neue Interessenten zu finden. Dafür hat er eine Tafel mit zwei Stromzählern gebastelt, um den Verbrauch einer Glühlampe und einer LED-Birne im Vergleich zeigen zu können. "20 Adressen", sagt Lang, "bringen wir in der Regel mit." Wobei Viele erst einmal misstrauisch sind. Dass ihnen jemand umsonst was Gutes tun will, ist ungewohnt. Nach den zwei Besuchen sind alle dankbar, hören die Stromsparchecker immer wieder.
003/2016 (hgw) 27. Jan