Aus Anlass des 100jährigen Bestehens des Diözesancaritasverbandes eröffneten Genn und Caritas-Präsident Prälat Dr. Peter Neher den bundesweiten Caritas-Sonntag in Münster mit einem Pontifikalamt im Dom. Wieviel Facetten die Jahreskampagne 2016 der Caritas hat und wie kontrovers die Ansichten dazu sein können, wurde anschließend bei Diskussonsrunden im Borromäum deutlich.
Schon in den Familien müsse die Frage gestellt werden, wie sie mit Generationsgerechtigkeit umgingen, sagte Genn. Und weiter gefasst für die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter gehe es darum, wie "wir mit Armen und Flüchtlingen umgehen". Genn machte aber Mut und bezog sich dabei auf Papst Franziskus Forderung nach Barmherzigkeit: "Wer es mit Gott zu tun bekommt, wird Caritäter". Alles, was aus Liebe geschehe, "geht niemals verloren", bekräftigte der Bischof.
Da gibt es für die Caritas viel zu überlegen und zu tun. Caritas-Präsident Neher skizzierte die Ausgangslage: Ein Drittel der Deutschen werde 2060 über 65 jahre alt sein. Die Auswirkungen des demographischen Wandels würden allerdings schon heute spürbar. Investitionen müssten umgesteuert und über neue Finanzierungsinstrumente für die sozialen Sicherungssysteme nachgedacht werden.
Es stelle sich die Frage, ob die Mehrheit der Älteren künftig die Politik bestimme. Bei der Abstimmung über den Brexit habe sich das bereits deutlich gezeigt. Die Jüngeren seien dagegen gewesen, hätten allerdings nur in geringem Umfang ihr Wahlrecht genutzt. Mehr Engagement wünschte sich hier in der Podiumsdiskussion der münstersche SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Strässer. Politik sei immer "Klientelpolitik", aber Anspruch müsse sein, diese verschiedenen Interessen zusammenzuführen.
Die Begeisterung für Politik sei allerdings schwer zu entfachen bei den aktuell typischen Begegnungsformen, bei denen man erst einmal Kaffee trinken müsse, entgegnete Annika Lukat (Herten) als Vertreterin von youngcaritas. Politik erzähle derzeit nur "kleine Geschichten", junge Leute müsse man aber mit "großen Geschichten" gewinnen. "Wir brauchen eine Aufbruchstimmung, um Gesellschaft gemeinsam zu gestalten", erklärte Lukat.
Ansätze dazu gibt es zum Beispiel mit dem Mehrgenerationenhaus des Sozialdienstes katholischer Frauen in Wesel, dem Intergenerationszentrum in Dülmen oder einem Quartiersprojekt in Bocholt, deren Vertreter mitdiskutierten und ihre Ansätze für neue Begegnungsorte zwischen den Generationen vorstellten.
Denn eine älter werdende Gesellschaft "bietet durchaus Chancen", sagte Peter Neher. Die würden zu selten gesehen. Die heutige Generation der Großeltern zeige sich zum Beispiel "außerordentlich solidarisch mit ihren Kindern und Enkelkindern". Daneben blieben aber genügend Fragen, wie der Wandel gestaltet werden könne und müsse. Die Caritas beschäftige sich damit eingehend und entwickle dazu politische Ansätze. Zum Beispiel müssten die Bildungs- und Fördermöglichkeiten gerade für benachteiligte Jugendliche verbessert werden.
Hoffnung macht Neher die große Zahl der überwiegend jungen Flüchtlinge. Die Integration werde "kein Sonntagsspaziergang". Aber "die Zuwanderung wird auch positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in unserem Land haben", zeigte sich der Caritas-Präsident überzeugt.
Mit dem Caritas-Sonntag endeten die offiziellen Feierlichkeiten zum Jubiläum des Diözesancaritasverbandes Münster. "Jetzt geht die Arbeit weiter in den nächsten 100 Jahren", erklärte Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann. Themen dafür gebe es genug, wie die Diskussion um den demographischen Wandel gezeigt habe. Bei der Frage der Integration von Flüchtlingen zeichne sich bereits das nächste Jahresthema der Caritas 2017 ab. Um die passenden Formen zu finden, diese Themen anzugehen, werde der Diözesancaritasverband im kommenden Jahr einen Entwicklungsprozeß "Caritas 2025" starten, kündigte Kessmann an.
114/2015 (hgw) 18. September