Christa Kortenbrede kennt diese Situationen aus langjähriger Erfahrung in der Fachstelle gegen sexuellen Missbrauch der Caritas Ahlen. Sie empfahl 80 Leitungen katholischer Tageseinrichtungen für Kinder in der Diözese Münster Handlungsschritte, mit denen diese Krisen angegangen werden können. Peter Frings als Interventionsbeauftragter des Bistums bot auf dem vom Diözesancaritasverband Münster in Haltern angebotenen Fachtag dazu seine Unterstützung im Fall des Falles an.
Gehandelt werden muss bei einer solchen Meldung in jedem Fall - unabhängig davon, ob sich der Vorwurf als wahr erweist. Das sei meist nicht sofort und manchmal auch gar nicht zu klären, stellte Kortenbrede klar. Es sei davon auszugehen, "dass es so gewesen sein kann". Gerade für Eltern, die darüber berichteten, dass ihr Kind von einem anderen belästigt werde, sei der erste Moment entscheidend. Wichtig sei, genau zuzuhören und erste Schutzmaßnahmen zu vereinbaren. Ebenso wichtig sei zu klären, welche Informationen an wen weitergegeben werden.
Geschützt werden müssen beide Kinder, erklärte Kortenbrede: "Wir müssen trennen zwischen Handlung und Person". Denn "nicht das Kind ist böse sondern die Handlung". Von Elternabenden in der akuten Situation riet Kortenbrede ab, sinnvoller seien allgemeine Infos und eine Erinnerung, mit den Kindern unter anderem die Regeln für Doktorspiele zu besprechen. Von Vorteil sei es, wenn die Kita bereits ein sexualpädagogisches Konzept als Bestandteil des Betreuungsvertrages habe. Dies sei auch Bestandteeil der rund 100 Präventionsschulungen, die die Caritas pro Jahr anbiete, erklärt Andrea Kapusta, Fortbildungsreferentin für die Kitas im Diözesancaritasverband Münster.
Noch deutlich problematischer sind für Christa Kortenbrede die Fälle, in denen Übergriffe oder Missbrauch von Mitarbeitenden an Kindern gemeldet werden. Grenzverletzungen liessen sich im Alltag kaum vermeiden, sei es aus Unachtsamkeit oder einem anderen Empfinden. Die liessen sich durch Rückmeldungen korrigieren. Wenn aber wiederholt, vorsätzlich und massiv die Ablehnung von Körperkontakt ignoriert werde, dann handle es sich um einen Übergriff. Im Prinzip würden dann die gleichen Handlungsschritte gelten. Dazu komme, dass auf keinen Fall der Beschuldigte direkt in das Meldegespräch einbezogen werden solle.
Kortenbrede entlastete die Kita-Leitungen: Es sei nicht ihre Verantwortung zu klären. ob das angezeigte Verhalten tatsächlich so geschehen sei. Aber es sei die Verfahrensregelung des Bistums zu beachten: Der Anzeige ist Glaube zu schenken, wenn sie nicht schon auf den ersten Blick als unplausibel zu erkennen sei. Ebenso gelte, das die Person als unschuldig gelte, solange nichts bewiesen sei. Das möge für die zu treffenden Maßnahmen zunächst widersprüchlich erscheinen. Aber die Einschätzung dazu und zum weiteren Vorgehen könnten nur spezialisierte Fachkräfte treffen.
Hier wie auch bei den Übergriffen zwischen Kindern empfahl Kortenbrede, sich Rat und Hilfe bei Fachstellen zu suchen. Auch weil es aktuell noch komplizierter wird. Die Teilnehmerinnen wiesen darauf hin, dass die verschiedenen kulturellen Hintergründe der Kinder eine höhere Sensibilität bei diesem Thema erforderten. Zudem habe man es nicht mehr in der Hand, Informationen in Zeiten von Social Media zurückzuhalten oder zu steuern. Um hier das Heft nicht aus der Hand zu geben, empfahl Christa Kortenbrede, ein Krisenteam zu bilden und sich darauf zu einigen, dass nur eine Person Auskunft gibt.
So ist es auch beim Bistum Münster geregelt, erläuterte Peter Frings. Bei ihm als Interventionsbeauftragten werden alle Missbrauchsfälle und -anzeigen gebündelt. Bislang sei er vor allem mit der Aufarbeitung von Altfällen beschäftigt. Frings bot seine Unterstützung aber auch für aktuelle und neue Vorkommnisse an. Er sei nicht nur für sexuellen Missbrauch zuständig sondern immer, wenn es um Gewalt gehe. Er empfahl den Teilnehmerinnen, sind nicht in Debatten im Netz einzumischen.
Problematisch aus seiner Sicht ist , dass "Missbrauch spaltet" und jedes Team zerreisse. Hier biete das Bistum seine Hilfe an und könne Fachleute entsenden, die bei der Aufarbeitung unterstützten. Rat und Hilfe erfahren die katholischen Kitas ebenso von der Fachberatung des Diözesancaritasverbandes, der auch in großem Umfang verpflichtende Präventionsschulungen anbietet.
020-2020 (hgw) 5. März 2020