Münster
(cpm).
Bei den Hilfen für Schwangere läuft es auch fünf Jahre
nach Einführung des neuen Sozialgesetzbuch (SGB) II noch nicht rund. 5.500 mal
gab es für die Schwangerschaftsberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen Klärungsbedarf
mit
Jobcentern* in den ersten drei
Monaten des letzten Jahres intervenieren. Anlass genug für den
Diözesancaritasverband Münster, der die Geschäftsführung der Bundesstiftung
Mutter und Kind im Land übernommen hat, eine Initiative zur Verbesserung der
Zusammenarbeit zu starten. Die Umfrage, an der sich die Beratungsstellen
tatsächlich zu 100 Prozent beteiligten, war der erste Schritt. Am Donnerstag
trafen sich Mitarbeiter und Träger der Beratungsstellen aber auch Vertreter der
Jobcenter in Münster, um Beispiele guter Kooperation zu diskutieren. "Denn
die gibt es durchaus", erklärte Peter Hoffstadt, Geschäftsführer der
Bundesstiftung und stellvertretender
Diözesancaritasdirektor
.
Wenn es gelinge, die zeitaufwendigen Reibungsverluste künftig zu vermeiden,
"können alle dabei gewinnen: Jobcenter, Beratungsstellen und vor allem die
schwangeren Frauen".
Hoffnungsvolle
Ansätze gibt es. Schon die Umfrage habe in einigen Kreisen und Kommunen dazu
angeregt, aufeinander zuzugehen und nach Wegen zu einer besseren Zusammenarbeit
zu suchen. In einem Erlass habe das NRW-Arbeitsministerium im Oktober die
besonderen Regeln und Ansprüche von schwangeren Frauen präzisiert, so
Hoffstadt. Zudem hätten in den Kreisen Gütersloh und Heinsberg sowie im
Rhein-Erft-Kreis die Schwangerschaftsberatungsstellen gemeinsam beschlossen,
sich nicht an der Umfrage zu beteiligen, weil die Zusammenarbeit gut ist.
Gelobt wurde zudem die gute Kooperation in Lippstadt, Mühlheim und Hagen sowie
in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Steinfurt.
"Wir wollen
nicht anprangern", machte Hoffstadt auf der Fachtagung deutlich. Deswegen
stelle man gute Beispiele vor, die zur Nachahmung anregen sollten. Mit der
Einführung des SGB II seien nicht nur "erhebliche Änderungen in der
konkreten Leistungserbringung verbunden gewesen". Neben neuen
Unterstützungsangeboten seien auch neue Sozialleistungsträger wie ARGEN und
Jobcenter vor Ort aufgebaut worden. Dadurch hätten bestehende Netzwerke und
vorhandeness
Wissen nur noch eingeschränkt genutzt werden
können. "Das konnte bis heute offensichtlich nicht aufgeholt werden",
erklärte Hoffstadt.
Jetzt müsse die
Initiative vor Ort ergriffen werden, um im gemeinsamen Gespräch zu überlegen,
wie die Probleme zu lösen sind. Spezielle Fortbildungen könnten ein Weg sein, so
Hoffstadt. Eine Liste mit Ansprechpartnern speziell für Frauenbelange bei den
örtlichen Sozialleistungsträgern stehe bereits zur Verfügung.
Beklagt wird von den
schwangeren Frauen vor allem, dass es keine Beratung gebe oder falsche Aussagen
gemacht würden. In geringerem Umfang würden auch Anträge gar nicht erst
angenommen oder der Mehrbedarf für Schwangerschaft, den das SGB II vorsehe,
nicht anerkannt. Hier telefonisch und schriftlich zu intervenieren, verursacht
in den Schwangerschaftsberatungsstellen einen erheblichen Arbeitsaufwand.
Allein im ersten Quartal 2010 war das
3.200mal
erforderlich. In den übrigen rund 2.400 Fällen mit Klärungsbedarf lehnten die
Frauen trotz Beschwerde ein Eingreifen ab. Meist, so die Erfahrung, führt die
Intervention zum Erfolg. Nur in fünf Prozent der Fälle, so Hoffstadt, komme es
dann doch noch zu Widerspruch und Klage. Die Arbeit der Beratungsstellen
ersparten den Sozialgerichten also viel Aufwand.
Erschreckend, so
Hoffstadt, sei der Umfang der Hilfe, die die Bundesstiftung inzwischen leisten
müsse. Fast jedes vierte Neugeborene in NRW werde von ihr inzwischen
unterstützt. Bei 145.000 Geburten wurden in 2009 über 33.500
Anträge bewilligt und über 20 Millionen Euro
ausgezahlt.
Die Bundesstiftung
"Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" wurde vor 26 Jahren
mit der Reform des § 218 gegründet, um Frauen die Fortsetzung der
Schwangerschaft zu erleichtern. Jährlich stellte die Bundesregierung 92
Millionen Euro dafür zur Verfügung. 181 der insgesamt 216 Schwangerschaftsberatungsstellen
in NRW vergeben die Mittel. Sie werden getragen von Diakonie, Caritas, AWO,
donum
vitae
und einigen Kommunen.
Pro Familia, AWO Niederrhein und der Paritätische Wohlfahrtsverband tun dies
nicht, haben sich aber an der Umfrage beteiligt. Der Diözesancaritasverband
Münster verwaltet die Mittel der Bundesstiftung zentral für
Nordrhein-Westfalen.
002/2011
13. Januar 2011
* ARGEN und Jobcenter werden offiziell seit dem 1. Januar 2011 einheitlich unter dem Begriff "Jobcenter" geführt.