Aber sein Berufswunsch ist jetzt Krankenpfleger. Wegen all der Erfahrungen, die er auf dem schwierigen Weg nach Deutschland gemacht hat. Eine von vielen überraschenden Wendungen, die Dörte Dreher Peiß im ersten halben Jahr als Koordinatorin des Projekts "Jobscout" gemacht hat. Zwei Jahre lang wird sie mit ihren zwei Kolleginnen und einem Kollegen versuchen, für Flüchtlinge am linken Niederrhein des Kreises Wesel Wege in Beschäftigung zu finden. Die Deutsche Fernsehlotterie fördert das Projekt mit 200.000 Euro.
240 Geflüchtete ist die gesetzte Zielmarke, davon zehn Prozent am Ende in einer dauerhaften Arbeitsstelle. Nach dem ersten halben Jahr lässt es sich schon gut an. Gut 100 stehen schon in der Liste, sagt Dreher-Peiß, erste Praktika und Ausbildungsstellen sind vermittelt. Für Hoshyar Ali Hussein hat sie schon einen Anknüpfungspunkt gefunden. Im Marien-Hospital in Wesel hat sie mit der Pflegedienstleitung gesprochen. Auch hier war die Ansage eindeutig: "Sie müssen die Alltagssprache beherrschen". Deswegen ist ein Zwischenschritt gefunden worden. Hoshyar Ali Hussein fährt erst einmal im Krankentransportdienst mit. Wovon er "total begeisert" sei und von seinen Kollegen gebe es nur gute Rückmeldungen.
Erfolgsgeschichten kann ihre Kollegin Alice Püplichhuisen ebenso beitragen, aber auch die Erkenntnis, dass es nicht immer so einfach ist: "Viele schleppen Traumata mit sich herum. " Immer wieder müssen die Jobscouts Verständnis dafür wecken, dass Manches Zeit braucht und das Ziel nur in kleinen Schritt erreichbar ist. Auch müsse die richtige Balance gefunden werden zwischen unterstützen und loslassen. "Letztlich wollen wir nur Hilfe zur Selbsthilfe leisten", sagt Püplichhuisen.
Die Begleitung beginnt mit einem "Profiling". Welche Kenntnisse sind vorhanden, wo liegen die Stärken und wo sieht der Flüchtling selbst seine berufliche Zukunft? Auch da gibt es immer wieder Überraschungen. Die junge Iranerin, die mit ihrem Kind geflüchtet ist und eigentlich bei dem Gespräch dabei sein wollte, aber dann ihren ersten Tag Praktikum im Xantener Friseursalon hat, ist für Dörte Dreher-Peiß ein gutes Beispiel. Es stellte sich heraus, dass sie nicht Friseuse und Visagistin ist, sondern im Iran ein eigenes Geschäft hatte mit 45 Mitarbeitern. "Die haben durchaus was zu bieten," ist die Erkenntnis für sie in vielen Fällen, "aber es ist ein anderer vielfältiger Erfahrungsschatz". Duale Ausbildungsgänge sind unbekannt und entsprechend fehlen häufig Zeugnisse und Zertifikate. Deswegen ist für Dreher-Peiß auch klar: "Wir brauchen andere Zugänge". Stärker gewichtig werden sollte aus ihrer Sicht die "informelle Bildung", auch wenn die schwerer messbar sei.
Wichtig ist den Caritas-Jobscouts nicht die Quantität an Vermittlungen sondern die Qualität. Nur dann, weiß Alice Püplichhuisen kann die Beschäftigung dauerhaft werden und können vor allem weitere Arbeitgeber gewonnen werden. Dabei suchen sie durch alle Branchen. Ein Iraker hat eine Ausbildung zum Stukkateur begonnen, ein anderer zum Koch, ein dritter hilft erst einmal in der Küche eines großen Garten- und Landschaftsbauers, um sich ins Team einzufinden und eine Ausbildung anzuschließen.
Die Jobscouts selbst, die alle mit einer halben Stelle beschäftigt sind, bringen dazu eine Fülle an eigenen Erfahrungen aus den verschiedensten Bereichen mit. Dörte Dreher-Peiß ist eigentlich Lehrerin, hat aber auch schon in einem Projekt des NRW-Gesundheitsministeriums zum Thema Bildungsprozesse für ältere Migranten gearbeitet und zuletzt die Landesnotunterkunft in Moers geleitet. Alice Püplichhuisen hat Sozial-, Politik- und Kommunikationswisschaften studiert, aber als Werbekauffrau in einer Agentur gearbeitet, jedoch "immer schon mit dem Einstieg in den sozialen Bereich geliebäugelt". Die zwei weiteren Kollegen bringen dazu kaufmännische und handwerkliche Erfahrungen ein. Alles in allem gute Voraussetzungen für die Vernetzung mit vielen Partnern und eine kreative Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten.
Projekte, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, entstehen derzeit an einigen Orten, aber der Moerser Ansatz ist noch etwas Eigenes. Meist, sagt Dreher-Peiß, seien sie eher im ehrenamtlichen Bereich oder in einzelnen Maßnahmen angesiedelt. Aus ihrer Sicht sind nach dem ersten Willkommen, dem Lernen der Sprache und Klärung des Status dauerhafte Anstrengungen sinnvoll, damit die Flüchtlinge wieder auf eigene Füße kommen und Integration keine Forderung bleibt. Sie hat deshalb auch im Blick, gute Ergebnisse darstellen zu müssen, denn die zwei Jahre Projektförderung werden schnell vorbei sein. Aber der Bedarf immer noch groß.
038-2017 (hgw) 18.. Juli 2017