In Recklinghausen gründete sich der erste örtliche Caritasverband und nur wenige Wochen später im Bistum Münster der Diözesancaritasverband. Da lag es nahe für Vorstand und Abteilungsleiter auf der siebentägigen Jubiläumstour am Donnerstagnachmittag Station im Vest zu machen. Auch heute, erklärte Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann, ist es Aufgabe der 27 örtlichen Caritasverbände, die sozialen Dienste und Einrichtungen vor Ort zu vernetzen und für ein abgestimmtes Angebot der caritativen Hilfe zu sorgen. Was in Recklinhausen offensichtlich gelingt, wie die Wanderung durch die Stadt zu "Orten der Barmherzigkeit" erfahren ließ.
Vom aktuellen Standort der Caritas am Prosper-Hospital führte dieser "Weg zu den Rändern" am Erich-Klausener-Haus vorbei zum Café Aeropag und der Gastkirche weiter zur Raphaelschule und Altenheim St. Hedwig. Immer wieder wurde dabei die enge Verflechtung von Kirche sowie ihren sozialen Verbänden Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen zum Wohl der Bürger deutlich. Nur durch dieses enge Zusammenwirken, insbesondere auch der fast 700 hauptamtlichen und gut 100 ehrenamtlichen Caritasmitarbeiter, "ist Stadtgesellschaft möglich", sagte Bürgermeister Christoph Tesche.
Allerdings, das erklärte der geschichtsinteressierte Sozialdezernent Georg Möllers, gebe es Caritas auch in Recklinghausen schon seit vielen hundert Jahren. Ein gutes Beispiel dafür erläuterte den Gästen Pfarrer Ludger Ernsting in der Gastkirche. Schon im ausgehenden 14. Jahrhundert holten die Bürger die Armen bewusst in die Mitte der Stadt an die belebte Handelsstraße. Aktuell ist die Hilfe für sie immer noch. 15.000 Mahlzeiten werden im Jahr ausgegeben und fünf Krisenplätze vorgehalten. Frisch entlassene Menschen aus Krankenhäusern oder Haftanstalten werden aufgenommen, um für sie eine "Anschlussregelung zu finden", so Ernsting.
Geschäftsführerin Beatrix Herweg verdeutlichte anhand weniger Zahlen, wie aktuell gerade in Recklinghausen soziale Hilfen sind. Rasant habe sich der Bergbau hier entwickelt, aber genauso plötzlich seien die Zechen wieder geschlossen worden: "Das hat die Stadt stark durchgeschüttelt", sagte Herweg. Hinter zwölf Prozent Arbeitslosigkeit und einer dreimal höheren Quote an Hartz-IV-Beziehern als im Nachbarkreis Coesfeld ständen viele einzelne Menschen, denen geholfen werden müsse.
"Kino ist etwas für Reiche." Das hatten die Eltern erzählt. Diese Aussage einer Fünfjährigen habe sie sehr beeindruckt und der Armut ein Gesicht gegeben, berichtete Beatrix Herweg. Umso beglückender sei der erste Kinobesuch für das Mädchen gewesen. An Herausforderungen mangele es da auch für die nächsten Jahre nicht. Recklinghausen spüre die "volle Wucht des demographischen Wandels", da viele Jüngere wegzögen, so Herweg. Immer häufiger kämen Hilfesuchende mit einem ganzen Bündel von Problemen.
Lichtblick sei die Flüchtlingsarbeit. "Das Engagement ist bis heute nicht verebbt", freute sich die Caritas-Geschäftsführerin. Im Jugendtreff Hillerheide beispielsweise lasse sich erleben, wie schnell junge Flüchtlinge und deutsche Jugendliche zusammenfinden könnten. Als Vision nannte Herweg, die soziale Kompetenz der Caritas und die Unterstützung der Kommune zu bündeln, um sozialintegrative Stadtteilarbeit in Hillerheide zu etablieren.
Dass das Jubiläum kein Grund zum Ausruhen ist, betonte auch der Vorsitzende des Diözesancaritasverbandes Domkapitular Josef Leenders. Vor Ort zu gehen, helfe die Augen zu öffnen für die Arbeit vor Ort, um besser für die Menschen zusammenarbeiten zu können. Auf Diözesanebene werde mit den örtlichen Verbänden und Einrichtungen nach dem Jubiläumsjahr unter dem Stichwort "Caritas 2025" überlegt werden, wie die Arbeit weiter entwickelt werden muss.
095-2016 (hgw) 2. September 2016