Gerade bei älteren Patienten droht Verwirrung, medizinisch "Delir" genannt. Mit gravierenden Folgen, wie Stefan Borg im St. Franziskus Hospital in Münster in der Praxis beobachtet hat. Ein hoher Pflegebedarf nach der Entlassung ist manches Mal die Folge. Dabei kann dieses Risiko mit recht einfachen Maßnahmen gesenkt und dazu noch die Überlebensrate erhöht werden.
In einem Kurs zur Leitungsqualifzierung für Pflegefachkräfte hat Borg in seinem Praxisprojekt Maßnahmen entwickelt. Der Verzicht auf Fixierung und Ruhigstellung durch Medikamente, einige Stunden ungestörte Nachtruhe und die Einbeziehung der Angehörigen sind Kernelemente. 19 Ideen für Verbesserungen in der Pflegepraxis sind das Ergebnis am Ende dieses anderthalbjährigen Kurses der Caritas in der Diözese Münster. In 720 Stunden Theorie, die durch Praktika ergänzt werden, bilden sich die angehenden Leitungskräfte aus Krankenhäusern, Altenheimen und Sozialstationen in allen Facetten ihres Berufs fort. Ziel ist dabei vor allem, "sie in ihrer Rolle als Leitungskraft zu stärken", sagt Caritas-Referent Bernhold Möllenhoff.
Viel Erfahrung ist im St. Franziskus Hospital in den letzten Jahren mit spezieller Betreuung alter und demenzkranker Patienten gesammelt worden. Stefan Borg hat sie auf die Intensivstation erweitert. Vorher wurden bei Verwirrtheitszuständen schnell schlaffördernde Medikamente gegeben mit dem Ergebnis, dass der Tag- und Nachtrhythmus durcheinander geriet. Heute wird versucht, diesen möglichst zu erhalten. Durch frühzeitige Erkennung nach Operationen kann es gelingen, ein "Delir" zu vermeiden. Neben den positiven Folgen für die Patienten erweist sich dieser neue Ansatz zudem als kostensparender in der Folgebehandlung.
Wertvolle Zeit für die Patienten gewinnt Ulrike Fleige in der Sozialstation der Caritas Steinfurt. In ihrem Praxisprojekt führt sie die vom Diözesancaritasverband Münster im Projekt PraxSIS geschulte vereinfachte Pflegedokumentation ein. Statt 25 werden jetzt weniger als zehn Seiten beschrieben. Damit ist wieder ein Gespräch mit dem Patienten oder eine Beratung möglich. Dokumentation sei nicht mehr Selbstzweck, stellt Fleige fest: "Die Arbeit macht wieder Spaß".
Mehr Spaß am Leben und Wohnen im Altenheim Heinrich-Albertz-Haus der Caritas Ahaus-Vreden haben die Bewohner, seit die Demenzkranken unter ihnen "in die Mitte" geholt worden sind. Der integrative Ansatz vorher führte dazu, dass die Demenzkranken sich abgelehnt fühlten und die noch geistig fitten Bewohner von ihnen gestört. Kerstin Herwings Vorschlag, die gesunden Bewohner in einer eigenen Hausgemeinschaft im Dachgeschoss unterzubringen und die demenzkranken dafür in die Mitte des Hauses nahe zu den Pflegemitarbeitern umzuziehen, hat die Situation deutlich entspannt. Jetzt sind auch wieder gemeinsame Ausflüge ohne Stress möglich.
Immer wieder hat sich auch in der Vergangenheit gezeigt, dass die Praxisprojekte der Leitungskurse Anstöße gegeben und Ideen sich verbreitet haben. Kerstin Herwing beispielsweise hat bereits eine Hospitationsanfrage aus einer anderen Einrichtung, berichtet Annette Lammerding. Sie begleitet kontinuierlich diese umfangreichste Fortbildung, die der Diözesancaritasverband Münster seit vielen Jahren anbietet.
069-2015 hgw 19. Juni 2015