Domkapitular Dr. Klaus Winterkamp, Vorsitzender des Diözesancaritasverbandes Münster, forderte zum Auftakt einer fünfteiligen Veranstaltungsreihe in Münster zu einem "Umdenken auf beiden Seiten" auf. Vor allem auch mit schon gelingenden Beispielen aus der Praxis wird unter dem Titel "Leben in Fülle" auf weiteren Studientagen für einzelne Regionen nach Wegen der Vernetzung gesucht.
Das Anliegen des Bistums für eine "dinende Kirche" im Sinne von Papst Franziskus trifft sich mit der Einschätzung von Führungsverantworlichen der Caritas, so Winterkamp. Sie sehen die Zukunft ihres Verbandes in einer profilierten Caritas der Pfarrgemeinde, in der Haupt- und Ehrenamtliche eng zusammenarbeiten.
Was daraus wachsen kann, zeigte das Team des "cari-treff" in Kamp-Lintfort beispielhaft auf. Entstanden ist das Projekt in einer Phase großer Veränderungen, als die Stadt sich vom Bergbau- zum Hochschulstandort wandelte und sechs kleinere Pfarreien zusammengeschlossen wurden zu einer neuen Pfarrgemeinde mit 15.500 Mitgliedern. Mit hoher Motivation wurde die Frage angegangen "Wie wollen wir Kirche gestalten?", erläuterte Hans-Peter Niedzwiedz, ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Caritas Moers-Xanten. Als konkretes Projekte wurde 2008 der cari-treff in einem ehemaligen Ladenlokal mitten im Zentrum von Freiwilligen umgebaut: "Wir wollten mitten unter die Menschen gehen".
Bis zu 500 Besucher zählt der cari-treff wöchentlich, die hier einen Kaffee trinken können, gebrauchte Kleidung finden und verschiedene Beratungsangebote der Caritas in Nebenräumen nutzen. Geplant sei, dass künftig auch die Stadtverwaltung hier bürgernah einen Raum bekomme, so Niedzwiedz. Durch den cari-treff sei man "sensibler geworden für die Nöte der Menschen in der Stadt". Das seine wichtige Voraussetzung "für die diakonische Entwicklung der Kirche als Zeugnis des gelebten Glaubens".
Den Glauben als "zwischenmenschliche Erfahrung zu gestalten" sieht Dr. Werner Springer, emeritierter Professor der Universität Duisburg-Essen, als wichtig für die Zukunft des Christentums an. Die derzeitige Verunsicherung sowohl der Kirche als auch vieler Menschen biete die Chance zu einer Neuorientierung. Springer erläuterte das Prinzip der Sozialraumorientierung, "die sich nicht in Dezentralisierung erschöpft". Vielmehr gehe es darum, in Kontakt mit den Menschen vor Ort ihre Stärken zu entdecken und sie darin zu begleiten, diese zu entwickeln. Dabei werde das Netzwerk an ehren- und hauptamtliche Hilfen genutzt.
Wichtig sei dafür nicht zuletzt der Respekt vor dem einzelnen Menschen: "Wir dürfen nichts für sondern nur mit Beteiligung etwas tun". Klar müsse sein, dass es die Normbiographie nicht gebe, "sondern das Leben als Projekt begriffen wird." Die Lösung lägen in der "Vernetzung der Akteure vor Ort", sagte Springer: "Das weitet auch den Blick dafür, dass viele zuständig sind."
Kriterium für den Erfolg sei, so Springer, die Teilnahme am lebendigen Leben vor Ort und die Abkehr von der "klassischen Defizitorientierung" hin zu einer Wahrnehmung der Stärken. Notwendig sei auch die persönliche Begegnung, die in der medialen Welt heute zunehmend verloren gehe. Diese Umorientierung in der Arbeit sei nicht von heute auf morgen und in einem Schwung zu schaffen. Springer empfahl, den neuen Ansatz als Experiment mit einem Team zu starten, das Spaß daran habe.
Dann, so sieht es Professor Dr. Andreas Lob-Hüdepohl von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin, kann Kirche die Menschen im Gemeinwesen erreichen. Ein Umdenken sei allerdings auch erforderlich in der Frage der Immobilien. Es dürfe nicht mehr darum gehen, wo man welche habe, sondern welche wo für die diakonische Arbeit der Kirche gebraucht würden. In der Arbeit vor Ort könnten sich Caritas und Pfarrgemeinde gut ergänzen. Die Ehrenamtlichen seien besonders nah an der Lebenswelt der Menschen, weil sie vor Ort wohnten und in ständigem Kontakt seien. Die Caritas könne dazu ihre Fachlichkeit einbringen.
Weiter diskutiert wird die konkrete Umsetzung der Forderung nach einer "dienenden Kirche" im Diözesanpastoralplan für den Offizialatsbezirk Oldenburg am 7. Oktober in der Katholischen Akademie Stapelfeld. Am 13. November folgt die Region Niederrhein in Kevelaer und am 21. November die Region nördliches Ruhrgebiet in Herten. Beschlossen wird die gemeinsam von der Hauptabteilung Seelsorge des Bischöflichen Generalvikariats und dem Diözesancaritasverband Münster organisierten Veranstaltungsreihe "Leben in Fülle" am 22. November mit einem Tag für die Region Münsterland.
086-2014 hgw 7. September 20