Im Webforum zum Thema "Suizidassistenz als letzte Hilfe? - Zum Umgang mit Sterbewünschen in stationären Einrichtungen" wurde die Notwendigkeit deutlich, diese Frage breit zu diskutieren und damit eine Orientierung zu finden. Angestoßen wird die Debatte durch die Aufhebung des Verbots geschäftsmäßiger Suizidhilfe und die daraus folgende aktuelle Suche nach neuen gesetzlichen Regelungen.
Zwischen den Stühlen sitzt auch der Gesetzgeber, wie an den unterschiedlichen Vorschlägen zu einer Neuregelung deutlich wird, nachdem das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr das Verbot der "geschäftsmäßigen" im Sinne von regelhaften Suizidbeihilfe gekippt hat. Die Richter betonten das Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Bis zur Bundestagswahl wird es wohl keine Lösung mehr ergeben, erwartet Schmitt, "aber möglicherweise wird sich der neue Bundestag bald damit beschäftigen".
Verfassungsrechtlich werde das nur schwer konform zu regeln sein, erklärte der Justitiar des Diözesancaritasverbandes, Klaus Schoch. Es gebe keine Pflicht zu leben, mithin könne ein Suizid und damit die Beihilfe keine Straftat sein. Abgewogen werden müsse das Recht auf Selbstbestimmung mit dem Lebensschutz. Alle bislang vorliegenden Entwürfe werden von Sterbehilfevereinen ebenso für verfassungswidrig gehalten, sagte Dr. Boris Krause, theologischer Referent. Nach Angaben des Vereins Sterbehilfe sei seit Februar 2020 in über 100 Fällen Suizidassistenz geleistet worden.
Die Position der Caritas dazu ist klar: "Suizidprävention, ohne Menschen mit dem Wunsch zu sterben im Stich zu lassen, ist der caritative Auftrag", erklärte Krause. Der Kontakt von Sterbehilfevereinen zu Bewohnern in den Einrichtungen werde jedoch nicht verwehrt werden können.
Die Teilnehmenden waren sich einig, dass es jetzt darauf ankomme, das Thema in der Caritas und vor allem mit den Mitarbeitenden breit zu diskutieren, damit jeder eine persönliche Haltung zu diesen Fragen entwickeln könne. Im Sinne der Bewohner und Patienten müssen nach Ansicht von Klaus Schoch Hilfen ausgebaut und weit mehr Mediziner palliativ ausgebildet werden.
Der Druck steigt. Immer älter und pflegebedürftiger ziehen die Bewohner in die Altenheime ein und verkürzt sich ihre Lebenszeit dort. Petra Baumann, Leiterin des St. Josef Stifts in Emsdetten berichtete, dass sich diese Entwicklung in der Corona-Zeit noch einmal deutlich verstärkt habe. 66 Bewohner seien im vergangenen Jahr verstorben, 17 davon an Covid-19. Entscheidend sei, die alten Menschen gut zu begleiten, ihre Ängste und Sorgen ernstzunehmen. Eine Beratung am Lebensende werde von den Krankenkassen bezahlt. Eine Trauerbegleitung unterstütze Angehörige, Mitarbeitende und Bewohner.
Petra Baumann hat die Erfahrung gemacht, dass viele Wünsche zu sterben im Grunde Bitten um Beziehung seien. Aber wie könne man damit umgehen, wenn immer wieder nach Hilfe beim Sterben gefragt werde? Michael Kreft, Leiter des Hospiz Haus Hannah in Emsdetten, beobachtet zunehmend Fälle des "Sterbefastens". Bewohner stellten das Essen und Trinken ein und gingen damit bewusst in den Tod. Konkrete Anfragen zur Suizidassistenz gebe es bisher praktisch nicht, aber "ich habe die Erwartung, dass es häufiger wird", sagte Kreft.
Der erste Schritt in der Diskussion um Suizidassistenz ist für Christian Schmitt, diese Fragen zu "thematisieren statt zu tabuisieren". Es müssten Leitlinien entwickelt werden, aber dabei bewusst bleiben, dass die persönliche Haltung damit nicht vorweggenommen werden könne.
Boris Krause kündigte an, dass das Ethikforum im Bistum Münster weitere Informations- und Fortbildungsangebote machen werde, "um den Raum zwischen den Stühlen zu füllen". Zu finden sind sie auf www.ethikforum.ms.
045-2019 (hgw) 10. Mai 2021