"Es gibt einige gravierende Schwachstellen, die bearbeitet werden müssen", erklärte der Vorsitzende des Fachverbandes Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) anlässlich einer Veranstaltung zum 100jährigen Bestehen des Diözesancaritasverbandes Münster in Emsdetten. Insofern könne sein Verband, der bundesweit über 1.000 Dienste und Einrichtungen vertritt, derzeit nur zum Bereich Teilhabe am Arbeitsleben eine "eingeschränkte vorsichtige positive Zustimmung" geben.
Es gebe noch einige gravierende Knackpunkte, die das angestrebte Ziel von mehr Inklusion für die große Gruppe der schwer- und mehrfachbehinderten Menschen ins Gegenteil verkehren könne, so Magin. Problematisch sei zum Beispiel der vorgesehene Vorrang der Pflegeleistung. Unbeabsichtigt könne dies in der praktischen Umsetzung der Regelungen dazu führen, dass auch junge Menschen mit Behinderungen in die auf Pflege ausgerichteten Altenheime umziehen müssten. Dies werde sie von der Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben weitgehend ausschließen. "Dies würde das medizinische Modell der Behindertenhilfe, das in Deutschland seit 40 Jahren überwunden ist, gerade für diesen Personenkreis wieder forcieren", kritisierte Magin.
Ein Zwang zum Umzug könne sich auch für nicht auf Pflege angewiesene behinderte Menschen ergeben, weil die Aufwendungen für das Wohnen künftig den Leistungen der "Grundsicherung" angepasst werden sollen und es hier enge Grenzen bei Miethöhe und Wohnungsgröße gebe. Diese würden möglicherweise in Behindertenwohnheimen überschritten.
Magin bedauerte auch, dass der Gesetzgeber nach wie vor nicht darauf verzichten wolle, für einen Werkstattplatz auf eine wirtschaftlich mindest-verwertbare Arbeitsleistung zu verzichten. Bislang gebe es nur in Nordrhein-Westfalen das Anrecht auf einen Platz unabhängig vom Grad der Behinderung. Stattdessen sehe der Entwurf vor, dass auch "andere Leistungsanbieter" als die bisherigen freigemeinnützigen Träger Werkstattplätze anbieten könnten. Diese sollen allerdings nicht die gleichen Auflagen für die Betreuung erfüllen müssen. Entsprechend bestehe das Risiko, dass sie die "starken Mitarbeiter" abwerben.
Insgesamt bleiben eine Menge ungeklärte Fragen, so Magin. Aber nur wenig Zeit für Änderungen, da der Gesetzentwurf in den kommenden Wochen in die Ausschuss- und Bundestagsberatung gehen soll. Damit es noch in dieser Legislaturperiode das neue Behindertenrecht gibt, müsste es bis Jahresende beschlossen werden.
108-2016 (hgw) 8. September 2016