Auch der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag ist bewusst, dass die Pflege schon heute "am Anschlag" arbeitet. Durch die Pandemie hat sich die Situation noch verschärft, berichteten die vier Teilnehmerinnen. Paul betonte, wie wichtig es für sie sei, Rückmeldungen aus der Praxis zu erfahren, auch wenn sie nicht für jedes Problem gleich eine Lösung anbieten könne.
Klar wurde in dem Austausch in der Tagespflege der Caritas in Coesfeld, dass die jetzt noch auf den Weg gebrachte Pflegereform nur ein Anfang sein kann. Insgesamt müssten die Rahmenbedingungen neben besserer Bezahlung angegangen werden. "Da gibt es viel Handlungsbedarf", sagte Paul. Für die nächste Bundesregierung stelle sich die Aufgabe, die soziale Infrastruktur auszubauen und in der Folge die Frage der Finanzierung dafür.
Auch wenn Digitalisierung etwas Entlastung ermöglicht, lassen sich die Arbeitsbedingungen letztlich nur durch mehr Pflegekräfte verbessern, erklärte Anna-Lena Sumanovic, Trainee bei der Caritas Coesfeld. Am Interesse würde die Nachwuchsgewinnung nicht scheitern. 20 bis 25 Prozent der jungen Erwachsenen könnten sich dieses Berufsfeld vorstellen, wusste Paul. Nur sei den wenigsten bewusst, welche Aufgabenfelder und vor allem auch welche Aufstiegsmöglichkeiten die Pflege biete.
Das Trainee-Projekt des Diözesancaritasverbandes Münster ist dabei ein Beispiel für eine Weiterentwicklung. Teilnehmende sowohl aus der Pflegepraxis als auch direkt aus dem Studium bekommen die Chance, ein Jahr in einem Verband zu hospitieren und dort eine Leitungsqualifikation zu entwickeln. Wie die Erfahrungen aus den bisher zwei Durchgängen zeigen, werden sie direkt weiterbeschäftigt oder finden bei anderen Trägern eine Anschlussstelle.
Trotz hohen Interesses und eines Ausbaus der Ausbildungsplätze, von denen die Caritas in NRW allein ein Drittel anbietet. reicht es nicht. Was unter anderem auch mit der Abbrecherquote zusammenhängt. Doris Hinkelmann, Leiterin des Ressorts Pflege & Begleitung der Caritas Coesfeld, benannte gleich vier: Auszubildende auf dem Land ohne Führerschein oder Auto können nicht verschiedene Einrichtungen erreichen, wie es in der generalistischen Ausbildung verlangt wird. Es mangele zudem an Wohnraum am Ausbildungsort, Sprache sei bei Auszubildenden mit Migrationshintergrund ein weiteres Problem und manchmal reiche auch das Bildungsniveau für die fachlich durchaus fordernde Ausbildung nicht aus. Da sei es gut, dass demnächst mit der einjährigen Ausbildung zum Pflegefachassistenten (PFA) in NRW jetzt auch eine einfachere Berufsstufe angeboten werde, aus der heraus man sich immer noch weiterentwickeln könne.
Eingebunden sind drei der Trainees in Digitalisierungsprojekte ihrer Verbände. "Da geht es nur schleppend voran", sagte Tabea Sommer, Trainee bei der Caritas Geldern-Kevelaer. Das Projekt "Landesinitiative eGesundheit.nrw" strebe zwar eine Vernetzung in der Gesundheitsversorgung an, aber es fehlten die Grundbedingungen bis hin zu den mobilen Lesegeräten vor Ort. In der Folge müssten immer noch monatlich ganze Papierberge per Hand ausgefüllt und per Post an die Krankenkassen geschickt werden. Vier Mitarbeitende seien damit beschäftigt, berichteten die Trainees Franziska Heinrichs und Sarah Piotraschke von der Caritas Heinsberg. Das Telematik-Center im NRW-Gesundheitsministerium scheine "ein Grab für Technik-Lösungen zu sein", wurde Josefine Paul in ihrem Eindruck bestärkt.
Die Lücken mit der Anwerbung ausländischer Pflegekräfte zu schließen, halten die Grünen-Politikerin und Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann für keine gute Idee. Der Diözesancaritasverband Münster unterstütze die Pflegeausbildung in der Partnerdiözese Iasi in Rumänien seit vielen Jahre, erklärte Kessmann. Dort sei die Pflegesituation ebenso angespannt wie in Deutschland.
Josefine Paul betonte, dass man von der Idee wegkommen müsse, nur ein Studium mache glücklich und sorge für ein gutes Auskommen. Der Pflegeberuf sei durchaus erfüllend und biete neben der hohen Sicherheit weit bessere Chancen als allgemein bekannt.
061-2021 (hgw) 20. Juli 2021