Daran hat sich über Jahrzehnte allen Bemühungen zum Trotz wenig verändert. Ina Scharrenbach, als Ministerin neben Heimat, Kommunales und Bau auch für Gleichstellung zuständig, will die Anstrengungen des Landes verstärken. Ein Bündel an Initiativen kündigte sie auf der ersten gemeinsamen Konferenz der Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen in Essen an. "40 Jahre Anti-Gewalt-Arbeit - und kein Ende?!" war das Thema. Scharrenbach hoffte, dass da irgendwann doch stehe "Ende" - ohne Fragezeichen.
Um eine "vernünftige Plangungsgrundlage" zu gewinnen, wird derzeit eine Bedarfsanalyse erstellt, erklärte die Landesministerin. Beschlossen ist bereits eine Erhöhung der Personalkostenförderung für die Frauenhäuser und 50 zusätzliche Plätze. Zudem werden drei weitere Frauenberatungsstellen eingerichtet, um ein flächendeckendes Angebot sicherzustellen. Ein "Opferschutz-Portal" im Internet soll eine "Lotsenfunktion" übernehmen, damit von Gewalt betroffene Menschen Hilfe finden, sagte Scharrenbach. Der Wechsel der Zuständigkeit für die Täterarbeit, die vormals im Justizministerium angesiedelt war, biete neue Möglichkeiten, die Arbeit gegen Gewalt zu intensivieren.
Die bisherigen Anstrengungen haben nach Erkenntnis von Dr. Monika Schröttle von der Universität Nürnberg nicht ausgereicht. Weder seien die Zahl der von Gewalt betroffenen Frauen gesunken, noch sei der Einstieg in die Täterarbeit gelungen. Auch finde nach wie vor nicht jede Frau zeitnah den erforderlichen Schutz. Schröttle forderte die Teilnehmerinnen zu mehr Ungeduld auf. Wenn sich auch in den kommenden 15 Jahren wieder nichts verbessere, "müssen wir radikal werden", sagte Schröttle.
Dabei seien auf politischer und rechtlicher Ebene durchaus Fortschritte erzielt und damit eine gute Basis für Veränderungen erreicht worden. Deutschland glänze hier nach außen. "Aber wenn man darunter schaut, ist Vieles nicht umgesetzt und gibt es teilweise auch Rückschritte", kritisierte Schröttle. Problem seien die zu hohen Hürden, Hilfe zu finden und anzunehmen. Hier liege Deutschland unter dem EU-Durchschnitt. Vor allem gelinge es nicht, dass die Frauen zeitnah Schutz fänden, selbst bei Gefahr für Leib und Leben nicht.
Nicht konsequent genug werden nach Auffassung von Schröttle auch die Ursachen angegangen. Idee des neuen Gewaltschutzgesetzes sei gewesen, alle Täter zu erreichen. Tatsächlich kämen aber bislang nur zwei bis drei Prozent der gewalttätigen Männer in der Täterarbeit an.
Für Monika Schröttle bleibt viel zu tun: Täter müssten konsequent gestoppt werden, wenn notwendig auch strafrechtlich durch Inhaftierung. Um Gewalt im Vorfeld zu verhindern und den Gewaltkreislauf zu unterbrechen, sei mehr Bildungsarbeit dazu an allen Schulen erforderlich. Denn Kinder, die Gewalt erlebt hätten, würden häufig als Erwachsene selbst gewalttätig. Gestärkt werden müsse das soziale Umfeld. Verwandte und Nachbarn müssten wissen, was zu tun sei und wo sie Hilfe finden könnten.
Als Ziele formulierte Monika Schröttle, "dass wir die Gewalt in diesem Jahrzehnt relevant abbauen". Keine Frau dürfe mehr getötet werden. Dafür sei es sinnvoll, Konzepte zur Vorbeugung aufeinander abzustimmen und von anderen Ländern zu lernen.
Ideen für eine Intensivierung ihrer Zusammenarbeit suchten die Teilnehmerinnen in Workshoprunden. Zwar gebe es schon lange intensive Kontakte zwischen Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen, erklärte die Landeskoordinatorin der Frauenhäuser, Claudia Fritsche, aber im Alltag fehle oft die Zeit für die durchaus notwendige Vernetzung. Hier würden neue Ansätze gesucht.
007-2020 (hgw) 30. Januar 2020