Aber der Gewalt in den sozialen Medien ist sie damit noch nicht entflohen. Neue Herausforderungen stellen sich an die Mitarbeiterinnen in den Schutzeinrichtungen, wie auf der 4. NRW-Frauenhauskonferenz in Dortmund deutlich wurde. Technische, rechtliche und nicht zuletzt Fragen der Medienkompetenz und -ethik müssen beantwortet werden. Unterstützung dabei versprach die Staatssekretärin im NRW-Gesundheitsministerium, Martina Hoffmann-Badache: Dieser Problematik werde ein eigenes Kapitel im Landesaktionsplan "Gewalt gegen Frauen" gewidmet werden.
Die Formen der Cybergewalt sind vielfältig und reichen von der sexuellen Belästigung über Mobbing bis zu massiver Bedrohung. Sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit ist davon bedroht, so Hoffmann-Badache. Gut drei Viertel der Opfer seien Frauen. Dabei sei das Internet kein rechtsfreier Raum und insofern zu überlegen, wie das Recht in diesem Bereich weiter entwickelt werden könne. Entsprechende Beschlüsse dazu seien auf der Ebene der Länderministerien gefasst und müssten jetzt umgesetzt werden.
Fluch und Segen der sozialen Medien zeigte die Hamburger Diplompädagogin Carmen Kerger-Ladleif an Zahlen auf. 51 Millionen Fotos werden jeden Tag in Deutschland bei Instagram hochgeladen, weltweit seien zu jeder Zeit 750.000 Pädokriminielle im Netz unterwegs und 45 Prozent der Mädchen und Frauen fühlten sich schon einmal online sexuell belästigt. Andererseits böten die modernen Medien neue Kommunikationschancen. Doch dazu brauche es Medienkompetenz, für die der Grundstein früh gelegt werden müsse.
Denn auch Cybergewalt beginnt früh und gefährdet insbesondere Heranwachsende, so Kerger-Ladleif. Einmal geführte Chats oder hochgeladene Fotos und Videos seien nicht mehr oder nur unter hohem Aufwand wieder aus dem Netz zu entfernen. Da gebe es keinen Schutzraum mehr: "Digitale Gewalt ist dokumentierte Gewalt," stellte Kerger -Ladleif fest.
Umso wichtiger ist Schnelligkeit. Die Medienrechtlerin Astrid Ackermann aus Frankfurt empfahl den Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser, möglichst zeitnah Daten löschen zu lassen und dafür gegebenenfalls die Hilfe der Schwerpunktdezernate der Kriminalpolizei zu suchen. Insgesamt berühre Cybergewalt mehrere Rechtsbereiche und sei komplex. Die Möglichkeit einer straf- oder zivilrechtlichen Verfolgung scheitere häufig daran, dass die Täter nicht aufzuspüren seien.
Neben den rechtlichen Aspekten werden sich die Teams in den Frauenhäusern mit der Vorbeugung beschäftigen müssen, erklärte die Medienpädagogik Michaela Brauburger. Es müsse eine neue Haltung im Umgang mit den Medien entwickelt werden. Es gelte zum Beispiel, ein Foto nicht nur deshalb hochzuladen, weil das technisch möglich sei, sondern "es gerade nicht zu tun, obwohl es geht".
Verbreiteten sich neue Apps und Netzwerke, müssten die Mitarbeiterinnen sie nicht selbst nutzen, aber sich damit beschäftigen, um gegebenenfalls eingreifen oder vor Gefahren warnen zu können, so Brauburger. Hilfreich sei dabei, dass das Internet nicht nur Probleme verursache, sondern auch viele Informationen zu deren Lösung anbieten.
In der Konferenz der Frauenhäuser NRW haben sich die Wohlfahrtsverbände Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie und Der Paritätische sowie die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser in NRW zusammengeschlossen, um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. 1976 wurde das erste Frauenhaus in NRW eröffnet. Jährlich bieten sie etwa 40.000 Frauen und Kindern Schutz. Eine gesicherte Finanzierung gibt es allerdings auch nach 40 Jahren noch nicht. Die Vertretung für die katholischen Frauenhäuser in NRW hat der Diözesancaritasverband Münster übernommen. Mehr Informationen dazu unter: www.caritas-muenster.de/wirhelfen/kindernjugendlichenundfamilien/frauenhaeuser
018-2015 (hgw) 17. Februa