"Hier haften sie tatsächlich für ihre Eltern", erklärt Ute Cappenberg beim Diözesancaritasverband Münster die weithin unbekannte Regelung, dass eventuelle Überzahlungen anteilig den Kindern zugerechnet werden. Weder hätten die Eltern Schuld, noch ist ihnen das in der Regel bewusst und schon gar nicht ihren Kindern. Die Caritas fordert eine verbindliche Aufklärungspflicht der Jobcenter, um einen schuldenfreien Start ins selbständige Leben zu sichern.
Sofern die jungen Erwachsenen über kein eigenes Vermögen verfügen, können sie die Forderung zurückweisen. Diese Möglichkeit räume ihnen der Gesetzgeber grundsätzlich ein, so Cappenberg: "Aber sie müssen auch davon wissen und welche Fristen dafür gelten." Deswegen müsse das Jobcenter rechtzeitig vor dem 18. Geburtstag über anstehende Rückforderungen informieren und wie man sie abweisen könne. Das geschehe noch nicht überall und nicht immer habe der Widerspruch Erfolg.
Allerdings muss zurückgezahlt werden, wenn die jungen Erwachsenen über eigenes Vermögen verfügen, "zum Beispiel auf einem auf ihren Namen von den Großeltern angelegten Sparbuch", erklärt Stefan Beckmann, Schuldnerberater bei der Caritas Rheine. Das seien nicht viele Fälle, aber das Problem tauche immer wieder auf. Sicherlich gebe es eine große Dunkelziffer, weil nur ein kleiner Teil der Betroffenen in die Beratung komme.
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums hatten sich Anfang April bei über 570.000 Minderjährigen insgesamt 192,1 Millionen Euro Schulden angehäuft. Stefan Beckmann wundert das nicht. Gerade bei "Aufstockern", deren geringes Einkommen um Sozialleistungen ergänzt wird, ergäben sich wegen der häufig schwankenden Verdienste schnell Überzahlungen.
Warum betroffene Familien Rückforderungen kaum vorausahnen können, zeigt auch ein Fall aus dem Kreis Coesfeld. Einem inzwischen 21jährigen wurde letztlich zum Verhängnis, dass die Ausbildungsvergütung des Bruders dem Jobcenter noch nicht bekannt und somit der Bescheid vorläufig war. Die Abweisung des fristgerechten Widerspruchs ist vom Sozialgericht bestätigt und damit rechtskräftig geworden.
Ute Cappenberg zeigt dies, dass der Gesetzgeber mit dem § 1629a SGB II Schulden bei Minderjährigen zwar verhindern wollte, diese gesetzliche Regelung aber bei Besonderheiten in der Familienkonstellation nicht ausreicht. "Hier muss dringend nachgebessert werden", fordert die Caritas-Referentin. Zumal die Regelungen nur für unter 18jährige gelten.
039-2020 (hgw) 30. April 2021