Gleichzeitig wächst die Sorge der Eltern und Kinderärzte um die Entwicklungschancen der Kinder durch die Begrenzungen in der Pandemiesituation. Hierin vermutet Anne Sulek von der Kinderheilstätte Nordkirchen Gründe, warum sie mit ihrem Team deutlich mehr Kinder betreut. Stephanie Murlowski, die die Frühförderstelle der Caritas Recklinghausen leitet, berichtet von fast auf das Vierfache gestiegene Anmeldezahlen, bis zu 15 in der Woche statt wie gewohnt durchschnittlich vier.
Auffällig sei, dass sich vor allem Sprachprobleme verschärften, weil den Kindern die Interaktion mit Gleichaltrigen in der Kita fehlten. Aber die Pandemie verstärkten auch Probleme im sozial-emotionalen Bereich. Wobei die Reaktionen der Kinder darauf gegensätzlich ausfielen. Die einen zögen sich zurück und würden sich "zu zurückhaltend" verhalten, die anderen seien aufgedreht und die Belastungen, die auch sie schon spürten, äußerten sich in aggressivem Verhalten.
So oder so ist das ein Fall für die Frühförderung, die Kinder mit Behinderungen oder Verzögerungen in ihrer Entwicklung unterstützt. Nur kurz war das zu Beginn der Pandemie für wenige Wochen nicht möglich, dann ging es mit einem Hygienekonzept wieder weiter. Nur das Verhältnis zwischen den Förderstunden in der Frühförderstelle und Zuhause habe sich verschoben, berichten die Caritas-Mitarbeiterinnen. Nach Möglichkeit kämen die Eltern jetzt zu ihnen, um die Möglichkeiten vor Ort, wie beispielsweise die großen Bewegungsräume, nutzen zu können. In Lüdinghausen, wo die Frühförderstelle der Kinderheilstätte für den Südkreis Coesfeld angesiedelt ist, kann Anne Sulek dabei auf einen ehrenamtlichen Fahrdienst zurückgreifen, wenn die Eltern nicht mobil sind.
Durch weniger Fahrten zu den Kindern haben die Teams etwas Zeit gewonnen, um der gestiegenen Nachfrage Herr zu werden. Zusätzlich werden die Stellen jetzt aufgestockt. Möglichst schnell möchte Stephanie Murlowski die von üblicherweise maximal vier auf sechs bis acht Wochen gestiegenen Wartezeiten wieder abbauen. Möglichst früh einzugreifen und Fehlentwicklungen vorzubeugen, ist das Ziel in der Frühförderung. Dass Kinder jetzt eher angemeldet werden, weil unter anderem die Kinderärzte bei insgesamt weniger Infekten sich mehr Zeit nehmen könnten bei den Vorsorgeuntersuchungen und so eher Entwicklungsdefizite entdeckten, sieht Murlowski als kleinen Vorteil der Krise und Chance für die Zukunft.
Die Frühförderstellen bieten ihre Untersützung von der Geburt bis zum Schulbeginn an. In der Regel werden die Kinder ein Jahr, wenn notwendig aber auch länger für jeweils eine Stunde in der Woche gefördert. Für den nachhaltigen Erfolg sei es allerdings gut, "wenn die Anregungen gut in das familiäre Umfeld integriert und von den Eltern aufgegriffen werden können", so Anne Sulek.
Wenn Eltern sich unsicher sind, ob sich ihr Kinder altersgemäß entwickelt, haben sie immer die Möglichkeit, in der Frühförderstelle anzurufen und sich beraten zu lassen, bietet Anne Sulek an: "Das geht auch ohne Empfehlung des Kinderarztes oder aus des Kindergartens." Je früher die Förderung einsetze, desto besser könne gehandelt werden, wirbt Stephanie Murlowski dafür, rechtzeitig das Gespräch zu suchen. Wenn eine Entwicklungsverzögerung erst bei der Schuleingangsuntersuchung auffalle, sei es schwer sie auszugleichen.
031-2021 (hgw) 29. März 2021