Andererseits kann das Internatsleben auch bedeuten, "Weltmeister im Spülen zu werden". Eine "Fülle von Leben und Erleben" eben, so das Motto zum Jubiläum dieser Jugendhilfe-Einrichtung in Trägerschaft des Diözesancaritasverbandes Münster, die sich durch viele Besonderheiten auszeichnet. Das fängt beim ungewöhnlichen Namen und dem rund 600 Jahre alten, herrschaftlichen Gebäude erst an. Vorreiter waren Margret Hartmann und ihr Team Anfang der 90er Jahre vor allem in der Arbeit mit Eltern.
Ein "Geht nicht" gibt es auch für ihre Nachfolgerin Margit Kocnar nicht, wenn neue Entwicklungen neue Lösungen fordern. Das war schon ganz am Anfang so. In nur drei Wochen gelang es 1965 dem Leiter der Melde- und Leitstelle für junge Aussiedler beim Diözesan-Caritasverband Paderborn, Monsignore Paul Kewitsch, mit allen Beteiligten die Einrichtung einer ersten Förderklasse und die Aufnahme von 20 Aussiedlermädchen im damaligen Müttererholungsheim der Schönstattschwestern zu organisieren.
Immer mehr ausgesiedelte Jungen und Mädchen kamen in der Folge. Es galt, sie beim "Schlagen neuer Wurzeln" zu begleiten, sie bei der Integration in die neue "Heimat" zu unterstützen. Schwieriger war dies noch, als die Flüchtlingskinder aus Vietnam, Kambodscha und Laos in eine für sie sehr fremde Kultur kamen und die meisten auch ohne ihre Familie. "Sie benötigten einen sicheren emotionalen Hafen", erinnert sich Margret Hartmann.
Der Zustrom der Flüchtlinge als auch der Kinder aus Osteuropa ließ zwar nicht nach, aber das Geld für ihre Förderung versiegte. Die Bundesmittel wurden bis 2004 schrittweise zurückgefahren. Anfang der 90er Jahre entstand die Idee, die erfolgreich erprobte "familien-ergänzende Förderung auf die Jugendhilfe zu übertragen", so Hartmann. Ergebnis war das Fünf-Tage-Konzept, mit der die Lücke zwischen Tagesstätte und Heim geschlossen werden konnte. In der Woche werden die Kinder betreut, am Wochenende und in den Ferien gehen sie zurück in ihre Familien. Die Jugendämter hielten das erst nicht für möglich, erinnert sich Hartmann, aber ließen sich auf einen Versuch ein.
Erfolg stellte sich schnell ein: "In Null-komma-nichts hatten 40 Jugendämter Interesse," erinnert sich Hartmann, die 1980 die Leitung in Horneburg übernommen hatte. Das Konzept trägt noch heute, wohl auch weil es konsequent durchgehalten wird.
"Leicht ist das nicht immer", sagt Kocnar. Das sei zuweielen mühsam, "aber es lohnt sich." Verabschieden müsse man sich davon, sein eigenes Idealbild von Familie überstülpeln zu wollen: "Die Familien müssen dort abgeholt werden, wo sie stehen."
Das Fünf-Tage-Konzept passt nicht für jedes Kind und jeden Jugendlichen, ist Kocnar bewusst, aber mittlerweile haben auch andere Einrichtungen entsprechende Gruppen aufgebaut. Längst Standard geworden ist die Konsequenz daraus, bei der das Förderschulinternat ebenso Vorreiter war: die Rückführung der Kinder in die Familien. Der Lebensmittelpunkt bleibt die Familie. "Wir unterstützen die Eltern in ihrem ureigenen Erziehungsauftrag", sagt Kocnar.
An den Namen "Förderschulinternat" hat Schloss Horneburg wegen dieses Konzeptes ebenso konsequent festgehalten. Ansonsten hat sich ständig etwas geändert. Äußerlich sichtbar an den Gruppenwohnhäusern am Platz der ehemaligen Stallungen, die Anfang der 70er gebaut wurden und der Kletterwand. Vor wenigen Jahren konnte eine eigene Sport-, Spiel- und Therapiehalle für die Freizeitpädagogik und Psychomotorik eingeweiht werden.
"Die Ausweitung und Ausdifferenzierung ergibt sich aus unserer Arbeit", erklärt Erziehungsleiterin Hildegard Schmitz. Deswegen wird neben der ambulanten systemischen Diagnostik und Therapie zum Beispiel "EfA" angeboten, das Erziehungstraining im Alltag, und ist eine Diagnoseklasse modellhaft aufgebaut worden. Aber es müsse immer etwas sein, für das die Kompetenzen vorhanden sind, so Kocnar.
Konsequente Zielverfolgung ist über 50 Jahre zu einem Markenzeichen des Förderschulinternats geworden. Dabei, das betont Margit Kocnar, "wird kein Konzept ausschließlich am Schreibtisch entwickelt". Entscheidend ist die Frage, "was die Kinder brauchen". Genauso beständig war deswegen der Wandel.
In den zwei Bänden der "Erinnerungsbücher" zum Jubiläum, der geschichtliche Überblick in einem und die Welt der Kinder und Jugendlichen im zweiten, wird kurz innegehalten. Eine Feier gibt es natürlich auch am Mittwoch (20. Mai). Aber keine Pause darin zu erspüren, was kommt als nächstes und was wird dafür notwendig sein.
060-2015 (hgw)