Das fängt mit der vorsorgenden Sexualpädagogik in Schulen und dem Projekt "Sicher im Bauch" an und endet erst lange nach der Geburt mit Babysprechstunde und Babykörben. Diese umfassende Hilfe hält die Leiterin der Schwangerschaftsberatung, Anne Bollrath-Koltermann, auch für sinnvoll und notwendig, weil heute die Unterstützung in der Großfamilie in aller Regel fehlt.
Der Bedarf an Rat und Hilfe in der Schwangerschaft wächst. Immer mehr Frauen finden in den vergangenen Jahren den Weg in die Geschäftsstelle des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) Bocholt und die Außenstelle in Borken. 505 waren es im vergangenen Jahr aus dem Südkreis Borken mit seinen etwa 215.000 Einwohnern. Es sind vor allem Frauen mit Migrationshintergrund, die um Hilfe bitten. Mit über 51 Prozent stellen sie inzwischen die Mehrheit und weitere 20 Prozent der Frauen mit deutschem Pass haben ebenfalls einen Migrationshintergrund. Für Anne Bollrath-Koltermann ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie zur benachteiligten Bevölkerungsgruppe mit geringem Einkommen zählen.
Dazu passt auch, dass 63 Prozent keinen Berufsabschluss haben und weitere 4,2 Prozent in Ausbildung sind. Entsprechend sind die Finanzen das große Thema und Bitten um Unterstützung aus der Bundesstiftung Mutter und Kind sowie dem Bischofsfonds der Diözese Münster. Es fließt allerdings nicht nur Geld. Eine große Hilfe sind die Babykörbe, die unabhängig vom Einkommen günstige Babykleidung anbieten. Wer in der Schwangerschaftsberatung einen Berechtigungsschein bekommen hat, kann zudem einen Kinderwagen oder ein Bett erhalten.
Wichtig bleibt daneben der Ratschlag. Gleich gegenüber der Eingangstür bietet Melanie Paeßens seit dem vergangenen Jahr die Baby-Sprechstunde an. Sie ist so erfolgreich, dass Nordmann-Engin überlegt, wie sie auch in Borken angeboten werden könnte. Obwohl die Sprechstunde bislang nur freitags und zu vereinbarten Terminen geöffnet sein kann, verzeichnet Melanie Paeßens schon 220 Beratungen. Gute Rückmeldungen gibt es auch auf ihre Kolumne im Bocholter Report.
Bei den Ratsuchenden mit Migrationshintergrund "bleibt die Sprache ein echtes Problem", sagt Anne Bollrath-Koltermann. Vielleicht brauche es neue Alphabetisierungskurse der Volkshochschule. Sie beobachtet jetzt eine neue Welle der Klientinnen mit ihren zweiten Kindern in Deutschland. In der Beratung bräuchte es Übersetzer, die aber nicht nur die Worte dolmetschten sondern auch kultursensibel übersetzen könnten.
Besonders engagiert sich der SkF Bocholt mit seiner Schwangerschaftsberatung seit vielen Jahren in der Vorbeugung, um Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen. Dazu sind spezielle Angebote in der Sexualpädagogik entwickelt worden wie das Projekt "Kuss & Co". Es wendet sich in enger Kooperation mit der Caritas Bocholt an Menschen mit Behinderung. Gearbeitet wird hier wie auch im Elternpraktikum für Menschen mit Behinderung mit Piktogrammen und leichter Sprache.
Auf Nachfrage von Ehrenamtlichen ist in Isselburg ein Workshop für Töchter mit ihren Müttern zu Familienplanung und Verhütung organisiert worden. Hier ist noch ein spezielles Angebot nur für Töchter geplant.
Mit einer großzügigen Förderung der Aktion Lichtblicke konnte das Projekt "Sicher im Bauch" gestartet werden, dass das Problem des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft angehen und Materialien entwickeln will, wie darauf aufmerksam gemacht werden kann. Grundsätzlich seien die Gefahren bekannt, aber vielfach werde immer noch geglaubt, dass ein Gläschen nicht schade. Das sei ein Trugschluss, bekräftigt Bollrath-Koltermann: "Wir meinen gar keinen Alkohol". Mit den Folgen bekämen sonst häufig die Pflegekinderdienste zu tun.
Unterschätzt würden auch die Geschlechtskrankheiten. "Die sind wieder auf dem Vormarsch", sagt Angelika Nordmann-Engin. Und werden damit auch wieder Thema in den sexualpädagogischen Kursen des SkF an den Schulen. "Man muss immer am Ball bleiben", lässt die Geschäftsführerin keinen Zweifel, dass die Schwangerschaftsberatung auf aktuelle Entwicklungen weiterhin zeitnah reagieren wird.‚
023/2020 (hgw) 22. April 2020