Lernen, vor anderen und in der eigenen Familie darüber zu sprechen, sieht Norbert Köring als eines der Hauptziele in der Arbeit mit Kindern psychisch kranker Eltern. Dass es geht und auch ein Baustein in der Therapie der Eltern sein kann, sieht der Fachbereichsleiter Familienberatung bei der Caritas Castrop-Rauxel nach mehreren Projektjahren bestätigt. Erst die RWE-Stiftung und dann die Aktion Lichtblicke haben die Probephase ermöglicht. Jetzt werden die zwei Gruppenangebote in der Erziehungsberatung fortgeführt. Für Köring die einzige Möglichkeit, nachdem Jugendamt und Krankenkassen bei einer weiteren Finanzierung abgewinkt haben.
An Notwendigkeit und Bedarf hat Köring keinen Zweifel: "Bei geschätzt zwei bis drei Millionen Kinder bundesweit, die in einer Familie mit einem psychisch kranken Elternteil leben, müssen es auch in unserer Stadt mehrere tausend sein." In der Erziehungsberatung und nicht zuletzt von den Kollegen in der Suchtberatung erfahren Köring und seine Mitarbeitenden von betroffenen Familien. Oder über die enge Zusammenarbeit mit psychiatrischen Diensten.
Schon ab acht Jahren beginnt die eine Gruppe mit Kindern bis zum Beginn der Pubertät. Für die 13- bis 18jährigen bietet die Caritas eine zweite Runde an. Dem Alter angepasst nähern sich Kinder und Jugendliche spielerisch dem Thema, berichten zunächst gegenseitig über ihre aktuellen Erlebnisse und erfahren so, dass sie nicht allein sind mit ihren Problemen. Dazu gibt es Informationen über die verschiedenen Formen psychischer Erkrankungen und wie man darauf reagieren kann. "Aber dies ist keine Bildungsgruppe", betont Köring.
Die Teilnehmer erarbeiten miteinander auch "Notfallpläne" und stellen einen einen Notfallkoffer zusammen, wenn "es den Eltern wieder besonders schlecht geht", sagt der Caritas-Mitarbeiter. Über die Familienberatung werden die Eltern einbezogen und nach Lösungen gesucht, wie sie ihre Krankheit angehen können.
Die Erfolge sind für Köring offensichtlich. Es gelinge den Kindern und Jugendlichen häufig tatsächlich erstmals, in der Familie die Krankheit anzusprechen. Untereinander habe sich ein so guter Zusammenhalt ergeben, dass sie sich gegenseitig stützten: "Das ist fast wie eine Selbsthilfegruppe", freut sich Köring.
Mit den bisherigen Projektmitteln konnten die Kinder und Jugendlichen die Gruppen praktisch unbegrenzt besuchen. Drei Jahre hat die RWE-Stiftung die Finanzierung übernommen und ein weiteres Jahr die Aktion Lichtblicke der NRW-Lokalradios mit Diakonie und Caritas. Eine weitere Finanzierung über das Jugendamt ist angesichts der schwierigen Haushaltslage der Stadt Castrop-Rauxel nicht gelungen. Die Krankenkassen, so Köring, sehen die Notwendigkeit, dass erst auf Bundesebene Regelungen für diese vorbeugende Arbeit getroffen werden.
In etwas abgespeckter Form aber wird es unter dem Namen "Kaskade" im Rahmen der Erziehungsberatung weiter gehen. Die arbeite ohnehin zu einem Viertel vorbeugend und da lasse sich was verschieben. Allerdings müsse die Teilnahme künftig auf zehn bis zwölf Mal begrenzt werden. Norbert Köring ist sicher, auch in dieser Zeitspanne den Kindern und Jugendlichen "das nötige Rüstzeug" mitgeben zu können. Vorteil der Integration in die Erziehungsberatung sei, dass es hier genügend Möglichkeiten für die Elternarbeit gebe und wenn notwendig auch eine Einzelbetreuung möglich sein.
Die Erfahrungen aus dem Projekt haben das Team der Erziehungshilfen auch motiviert weiter zu denken. Sie beteiligen sich an dem bundesweiten Projekt "Von Anfang an. Gemeinsam. Frühe Hilfen und katholische Geburtskliniken", in dessen Rahmen unter anderem im Rochus-Krankenhaus eine offene Sprechstunde auf der Geburtsstation angeboten wird. Zusammen mit dem Diözesancaritasverband Paderborn sollen in einem weiteren Projekt Eltern gestärkt werden, um kindeswohlgefährdendem Verhalten vorzubeugen. Darüberhinaus spricht das Elterncafé "Sauebraus" seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Tafel vor allem Familien mit kleinen Kindern an. Das passt für Norbert Köring alles gut zusammen, um Eltern möglichst frühzeitig zu erreichen und späteren Problemen vorzubeugen.
090-2014 (hgw) 26. September 2014