"Trotz allem", muss Annegret Trahe feststellen, die ihn im Jugendwohnen der Caritas betreut. Sechs von 19 jungen Flüchtlingen haben nach einem Jahr eine Perspektive als Heizungsbauer, im Straßenbau, als Altenpflegehelfer oder Berufskraftfahrer gefunden. Alle anderen gehen weiter zur Schule. Integration fordert das vor einem Jahr erlassene Gesetz, die Praxis aber tendiert dazu sie mit immer neuen Regelungen zu verhindern.
Für die Mitarbeiter in den Migrationsdiensten und die sie unterstützenden Ehrenamtlichen wird es immer anstrengender und frustrierender: "Die Willkommenskultur wird inzwischen stark hinterfragt", bedauert der Flüchtlingsbeauftragte des Bistums Münster, Helmut Flötotto. Zu seinem Arbeitsbereich im Diözesancaritasverband Münster gehört die Flüchtlingsberatung, so bekommt er unmittelbar die Rückmeldungen von vor Ort.
Allgemein problematisch bleiben die langen Anerkennungsverfahren. "Das dauert manchmal unendlich lange", sagt Helmut Flötotto und vermutet dahinter auch Strategie. Wird der junge Flüchtlinge im Laufe dieses teilweise über zwei Jahren sich hinziehenden Prozesses volljährig, hat sich das mit dem Familiennachzug erledigt.
Aber auch im Detail wird die Integration behindert. Wenn zum Beispiel für die "Ausbildungsduldung" von einem jungen Afrikaner eine Geburtsbescheinigung verlangt wird, in dessen Heimatland die Registrierung der Kinder aber unüblich ist. Die Mutter, so Flötotto, musste sich erst verschulden für diese Urkunde und hatte dann kein Geld mehr für Porto, so dass das Original über Bekannte nach Deutschland transportiert werden musste.
Jeder junge Flüchtling ist ein Einzelfall, stellt Annegret Trahe fest. Denn je nach Stand des Asylverfahrens, Aufenthaltsstatus und Herkunft aus einem Land mit mehr oder weniger Bleibeperspektive gibt es unterschiedliche Regelungen und vor allem Fördermöglichkeiten. Was schon an sich kompliziert genug wäre, aber diese Regeln ändern sich auch noch ständig ändern.
Die Quote von sechs Ausbildungsplätzen konnte deshalb auch nur erreicht werden, weil die Stadt Münster mit dem Jugendwohnen einen besonderen Weg geht. Fünf Caritas-Mitarbeiter können sich intensiv um die 19 Jugendlichen kümmern. Eigentlich ist diese Form der Betreuung im Kinder- und Jugendhilferecht in der Erziehungshilfe vorgesehen. Helmut Flötotto lobt hier ausdrücklich das Engagement der Stadt.
Mehr bewirken könnten Annegret Trahe und ihre Kollegen allerdings, wenn das Engagement des Jugendamtes, das die Platzzahl gerne noch auf 24 aufstocken würde, vom Ausländeramt geteilt würde. Das erweist sich angesichts der Zahl der Flüchtlinge und der unablässig neu umzusetzenden Regeln nach wie vor als Nadelöhr. Um eine der 30 zu vergebenden Terminkarten am Tag zu ergattern, müssen sich die jungen Flüchtlinge um 5.45 Uhr anstellen und haben mitunter trotzdem Pech, innerhalb der Sprechzeit nicht dranzukommen. Per Mail und telefonisch sei da auch gar nichts zu machen, ist die Erfahrung.
"Dabei brauchen wir dringend Klarheit", sagt Trahe. Die Firmen, die für eine Ausbildung bereit wären, "brauchen ohnehin schon eine Engelsgeduld". Aus ihrer Sicht müsste das Ausländeramt eigentlich eine "Ermöglichungsbehörde" sein. Stolpersteine gibt es nämlich auch ansonsten genug. Die Ausbildung erfordere von den Flüchtlingen, die vor allem aus Afghanistan, Eritrea und Somalia kommen, eine hohe Motivation und reichlich Fleiß. "In der Berufsschule werden keine Unterschiede gemacht", erklärt Trahe. Dass sie aus anderen Kulturen mit einem anderen Bildungshintergrund kommen und sich in die Sprache erst einfinden müssen, spiele da keine Rolle. Aber: "Sie können sich keinen Durchhänger leisten."
Deshalb müssen sie und die Firmen, in denen sie lernen, weiter eng begleitet und unterstützt werden. Eigentlich müsste es auch für die jungen Erwachsenen eine weitere Förderung geben, zum Beispiel in Form eines Zuschusses für den Führerschein. Den benötigt Ibrahim jetzt als Voraussetzung für seine Ausbildung als Garten- und Landschaftsbauer in der teureren Variante mit Hängerschein. Weil er seinen Verdienst bis auf einen Rest für das Jugendwohnen abgeben muss, kann er ihn nicht selbst finanzieren. Da ist die Aktion Lichtblicke mit Spendenmitteln eingesprungen.
060-2017 (hgw) 24. Oktober 2017