Ihr ist bewusst, dass sie ihre Geschichte auf dem Ethikforum des Bistums Münster am Dienstagabend im Franz Hitze Haus nicht hätte erzählen können, hätte sich nicht rechtzeitig ein Spender für ihre neue Bauchspeicheldrüse und Niere gefunden. Was sie und zwei weitere Patienten von Dr. Wolfgang Clasen berichten, untermauert der Chefarzt am Hiltruper Herz-Jesu-Krankenhaus mit Fakten: Knapp ein Viertel der Patienten auf der Warteliste für eine Transplantation in Münster sind in 2012 verstorben. Es drohen noch mehr zu werden, weil es seit den Skandalen in Göttingen aber auch in Münster einen deutlichen Knick in der Spendebereitschaft gibt. Den will das Ethikforum umdrehen und hat dafür jetzt 10.000 Broschüren mit einer eindeutig positiven Positionierung der katholischen Kirche und heraustrennbarem Spendeausweis drucken lassen.
"Wir wollen die Menschen dazu bewegen, eine Art Testament zu erstellen, das sich auf ihren eigenen Körper bezieht", erklärte der Geschäftsführer des Ethik-Forums, Dr. Boris Krause. Sowohl die evangelische wie die katholische Kirche befürworten eine ethisch verantwortbare Organspende. Prof. em. Dr. Dr. Antonio Autiero forderte dazu auf, "das Leben als Geschenk wahrzunehmen und als Gabe zu sehen". Unentschiedenheit sei keine Option, sondern jeder müsse sich die Frage stellen, ob er bereit zur Spende sei und eine Antwort geben. Autiero kritisierte, dass nur 28 Prozent der Bürger einen Organspendeausweis besitzen, aber 90 Prozent bei entsprechender Erkrankung selbst transplantiert werden wollen.
Viel Vertrauen in die Organspende ist mit dem Skandal am Göttinger Klinikum seit 2012 verloren gegangen und die Statistik zeigt, dass es bislang nicht gelungen ist, es zurückzugewinnen. Von schon stabilen etwa 1.200 Transplantationen pro Jahr in Deutschland ist die Quote auf rund 900 in 2014 abgesackt. Dabei ist die Medizin auf diesem Gebiet sehr erfolgreich. In den vergangenen 50 Jahren haben etwa soviele Menschen ein neues Organ bekommen, wie in Göttingen leben, erklärte Dr. Clasen. Das sind über 116.000.
Doch viele warten noch wie Michael Wenner. Der 28jährige ist erblich bedingt mit elf Jahren erkrankt und hat seine Nierenfunktion verloren. Seit sechs Jahren kann er sich über das Bauchfell selbst dialysieren und hat glücklicherweise einen Arbeitgeber gefunden, der ihm dafür einen sterilen Raum zur Verfügung stellt, den er mehrmals am Tag aufsuchen muss. Trotzdem: Seine Bewegungsfreiheit sei schon stark eingeschränkt, sagt er auf dem Ethik-Forum. Er hofft auf einen Spender, nimmt das Leben aber gelassen: "Erst einmal den Augenblick genießen".
Medizinisch ist die Organspende inzwischen recht erfolgreich. 78 Prozent der Transplantationen bei Nieren gelingen inzwischen und können für viele Jahre neue Lebensqualität geben. Das sei ein großer Erfolg, betont Dr. Clasen. Egon Albers ist dafür ein gutes Beispiel. Der 67jährige lebt seit 13 Jahren mit einer neuen Niere, auf die er sechs Jahre gewartet hat. Dass es ihm wieder so gut gehe und er nach der Operation wieder arbeiten konnte, sei ein "hoher Wert auch für die Familie", sagt Albers. Auch finanziell habe er unter hohem Druck gestanden, als seine zwei Söhne im Studium waren.
Abgesehen vom medizinischen Erfolg und dem Gewinn an Lebensjahren und Lebensqualität entlasten Organspenden die Gesellschaft. Für die Dialyse fallen pro Jahr 35.000 bis 40.000 Euro an, rechnete Clasen vor. Die weiterhin notwendige Behandlung nach einer Nierentransplantation koste dagegen nur 18.000 Euro.
Am Ende des Ethik-Forums war klar, dass der Titel leicht verändert werden müsste. Nicht "Katholisch - und trotzdem Organspender?!" müsse es heißen, sondern "Katholisch - und deshalb Organspender!", erklärte Domkapitular Dr. Klaus Winterkamp, Vorsitzender des Diözesancaritasverbandes.
006-2015 (hgw) 22. Januar 2015