Für den Kölner Universitätsdozenten sind die Wahlerfolge der AFD nicht das Problem, sondern Symptom eines durchaus verständlichen Unbehagens vieler ihrer Wähler, das allerdings von rechten "Rattenfängern" missbraucht werde. Eine "Heilung kann nur mit Mitteln der Demokratie gelingen", erklärte er auf der Klausurtagung der Geschäftsführer örtlicher Caritasverbände und ihrer Fachverbände Sozialdienst katholischer Frauen (Skf) und Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) in Kevelaer. Die Caritas in der Diözese Münster will es auf diesem Weg versuchen und startet das Projekt "First Step - Demokratie bewusst leben".
Das Funktionieren der Demokratie kann nach Ansicht von Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden. Um sie am Leben zu halten, müsse auch die Caritas sie mitgestalten. Dies sei Voraussetzung dafür, dass sie die Interessen der benachteiligten Menschen in der Gesellschaft weiter wahrnehmen könne: "Die soziale Gerechtigkeit ist gefährdeter denn je, wenn wir es nicht schaffen, die Demokratie lebendig zu halten", erklärte Kessmann.
Die Caritas wird deshalb in den kommenden zwei Jahren "Demokratie-Förderer" vor Ort ausbilden und Projekte initiieren. Daraus soll, so Projektleiter Theodor Damm, ein Netzwerk entstehen, das auf Dauer die Demokratie fördert. Matthias Burchardt sieht gute Chancen, dass es gelingen kann. Er empfahl, "viel mehr Vertrauen ins Gespräch und in die Verfahren der Demokratie zu setzen".
Burchardt warnte davor, alles falsch zu finden, was populistisch geäußert werde. Es gebe genügend tatsächliche Probleme, für die Lösungen gefunden werden müssten. Eines sei, dass der Markt zum "Maß aller Dinge" gemacht worden sei. Lebensrisiken seien individualisiert und die Gesellschaft disintegriert worden. Das sei aber "kein Naturereignis und könnte auch wieder abgeschafft werden", sagte Burchardt. Die Gefahr bestehe, dass die AFD es ermögliche, diese tatsächlichen Probleme dem unteren Drittel der Gesellschaft zuzuschieben und sie für falsch zu erklären." Auch wenn es schmerzhaft sei, müssten diese "Gegenmeinungen" erst einmal angenommen werden, ohne sie teilen zu müssen.
In den Dialog zu gehen sieht Burchardt als ein Mittel dagegen. Zudem müssten die "Rattenfänger" entlarvt werden, denn die AFD sei ebenso neoliberal oder sogar noch mehr und missbrauche ihre Wähler für ihr rechtes Gedankengut. Man müsse wieder zu der Frage kommen, "was ist uns das wert?", statt immer zu fragen, was kostet das?
088-2016 (hgw) 14. November 2017