Deutlich wurde nach der Begrüßung durch Caritas-Vorstand Thomas Schlickum in der Diskussion, dass allen bewusst ist, was Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) für die Reform der Pflege formulierte: "Das wird nicht mehr in Minischritten gehen". Eine Wahl bleibt den Bürgern dennoch, denn Unterschiede zeigten sich in den Ideen, wie diese großen gesellschaftlichen Fragen gelöst werden können.
Nach der Klimakrise sieht Klein-Schmeink die Reform der Pflege als "größte Herausforderung" an. Das gerade verabschiedete Gesetzeswerk habe die Probleme nicht lösen können. Vor allem hake es an zu wenig Pflegekräften und der Finanzierung. Da war sich die Gesundheitsexpertin der Grünen einig mit Stefan Nacke (CDU), Sarah Lahrkamp (SPD, in Vertretung für Svenja Schulze), Klaus Kretzer (FDP) und Kira Sawilla (Die Linke). Auch Stefan Nacke hält eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für vordringlich, um mehr Menschen für den Beruf zu gewinnen und sie vor allem dann zu halten. Kira Sawilla verwies darauf, dass nach einer Umfrage schon die Hälfte der Auszubildenden sich nicht vorstellen könnten, längerfristig in der Pflege zu bleiben.
Klaus Kretzer hält hier eine Veränderung der Arbeitsprozesse für notwendig, setzt auf technische Unterstützung in den Bereichen, in denen das möglich sei. Allerdings: "Die menschliche Zuwendung ist nicht zu ersetzen". Auch Sarah Lahrkamp betonte, dass ein besserer Personalschlüssel erforderlich sei für mehr "menschenwürdige Pflege", weil sie kein "Produktionsprozess sondern Arbeit am Menschen ist." Der schwierige Spagat, dass das mehr Geld erfordert, während gleichzeitig die Belastung der pflegebedürftigen Menschen eher gesenkt werden soll, war allen bewusst. Maria Klein-Schmeink sieht einen Ansatz zur Lösung darin, beitragsfremde Zahlungen aus Kranken- und Pflegekassen künftig über Steuern zu finanzieren.
Das Thema Steuern zeigte die größten Differenzen zwischen den Parteien auf. Stefan Nacke und Klaus Kreutzer blieben auf Parteilinie gegen jegliche Erhöhungen und setzen stattdessen auf Wachstum. Maria Klein-Schmeink, Sarah Lahrkamp und Kira Sawilla dagegen sehen ohne zusätzliche Belastungen für höhere Einkommen und Vermögen keine Möglichkeit, Coronakosten und die großen anstehenden Aufgaben zu finanzieren.
Die Sorge um die Finanzierung wurde insbesondere bei der Frage diskutiert, wie die Atraktivität sozialer Berufe gesteigert werden kann, um den sich immer stärker abzeichnenden Fachkräftemangel aufzufangen. Stefan Nacke hielt eine breite gesellschaftliche Debatte für notwendig, wie Daseinsvorsorge organisiert und finanziert werden kann. Maria Klein-Schmeink reichte das nicht und kritisierte, dass man nicht gleichzeitig Steuersenkungen versprechen und neue Anforderungen stellen könne, die mehr Geld verlangen.
Dass es Zumutungen wird geben müssen, bekannte Stefan Nacke dagegen beim Diskussionsthema "sozialgerechter Klimaschutz". Einig waren sich alle Vertreterinnen und Vertreter der Parteien über Ziel und Dringlichkeit. Während die FDP eine Senkung der Emissionen und gleichzeitig eine Entlastung der Bürger über einen Zertifikatehandel erreichen möchte, setzt Kira Sawilla für Die Linke auf einen schnelleren Kohleausstieg. Maria Klein-Schmeink will zusätzliche Belastungen durch Klimageld und höheren Mindestlohn ausgleichen, Stefan Nacke setzt für die CDU auf eine Abschaffung des EEG und einen dadurch sinkenden Strompreis.
Wenig Raum für kontroverse Meinungen bot das Thema digitale Teilhabe für Kinder und Jugendliche. Dafür seien Endgeräte für alle Schülerinnen und Schüler notwendig, aber auch Internetverbindungen und eine Einbindung in die Lernkonzepte der Schulen. Dass all dies ebenso nicht zum Nulltarif zu haben sein wird, verdeutlichte Maria Klein-Schmeink: "In Hartz IV sind gerade einmal 80 Cent für Bildung pro Monat eingerechnet."
Die Diskussion dieser vier Themenfelder aus dem sozialen Bereich habe deutlich gemacht, "wie schwierig Lösungen sind", fasste Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann zusammen. Das zeige sich nicht zuletzt beim sozialgerechten Klimaschutz, für den sich die Caritas im Rahmen ihrer Jahreskampagne #DasMachenWirGemeinsam engagiert: "Das ist für uns ein Zukunftsthema". In der Pflege sieht Kessmann weniger die Vergütung als Problem, verbessert werden müssten vor allem die Arbeitsbedingungen. Für die Koalitionsverhandlungen bot er abschließend den Kandidaten das umfangreiche Praxiswissen der Caritas an.
075-2021 (hgw) 31. August 2021