Havixbeck
/Münster (
cpm
).
Gedacht wird Inklusion allgemein nur in eine Richtung. Menschen
mit Behinderung ziehen dezentral in Nachbarschaften ein, behinderte Kinder
wechseln in Regelschulen. Das Stift
Tilbeck
zeigt,
dass es auch umgekehrt möglich ist. Nicht ohne Erfolg bemüht man sich, dass
Menschen ohne Behinderung in die große Einrichtung in den Baumbergen kommen und
ein Stück Leben mit den Bewohnern teilen. Folgerichtig begrüßte Stiftleiter
Bernward Jacobs die leitenden Mitarbeiter des Diözesancaritasverbandes Münster
und des Kreiscaritasverbandes Coesfeld im gerade am Tag zuvor neu eröffneten
Café am Turm. Inklusion diskutierten die Teilnehmer der am Montag gestarteten
Regionaltour des Diözesancaritasverbandes dort nicht nur, sondern sie erlebten
sie auch und konnten sie schmecken und riechen. Norbert
Vowinkel
,
Leiter des eigenen Integrationsunternehmens Varia präsentierte die besondere
Qualität des von den behinderten Beschäftigten gerösteten und vertriebenen
Kaffees.
Große Unzufriedenheit äußerte
Diözesancaritasdirektor
Heinz-Josef
Kessmann
über die Umsetzung der
UN-Konvention, die die Inklusion aller behinderten Menschen fordert. In der
Praxis beschränke sie sich derzeit auf die "leichten Fälle, die wenig Geld
kosten". In Vergessenheit gerieten die Menschen mit schwereren Behinderungen.
Insgesamt werde Inklusion "mehr vom Geld gedacht als vom Menschen",
kritisierte
Kessmann
. Dem Gesetzentwurf der
Landesregierung zur Inklusion bescheinigte er "wenig Substanz". Es
fehlten vor allem Qualitätsstandards.
Bernward Jacobs sieht die Inklusion schwarz-weiß gedacht:
"Aber das Leben ist nicht schwarz-weiß". Vielmehr brauche es eine
größere Bandbreite von Angeboten, um auf die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse
behinderter Menschen reagieren zu können. Entgegen der aktuellen Diskussion
könne das auch eine große Einrichtung wie Stift
Tilbeck
bieten. Man habe überlegt, den Standort aufzugeben und sich komplett dezentral
aufzustellen. Stattdessen sei entschieden worden zu bleiben, aber zu versuchen,
nichtbehinderte Menschen auf das Gelände zu holen. Heute lockten Barfußgang und
Café viele Besucher an. Ein gelungenes Beispiel der "umgekehrten
Inklusion" sei die Münsterlandschule. Regelschüler besuchen sie in frei
gewordenen Räumlichkeiten des Stiftes. Schul- und baurechtlich sei das nicht
einfach gewesen, aber heute sei die Schule sogar Fortbildungsstätte für Lehrer
zum Thema Inklusion.
Für Kirche und Caritas sieht Seelsorger Hermann Kappenstiel die
Behinderteneinrichtung als neuen "
Kirchort
"
im Sinne des aktuellen Diözesanpastoralplanes, der allerdings auch von
Mitarbeitern und Besuchern gelebt werden müsse.
090-2012 23. September 2013