Was jeder Berufsschüler sich im Schnelldurchgang aneignen muss, erfor- dert im Berufsbildungsbereich der Caritas Wohn- und Werkstätten Niederrhein (CWWN) etwas mehr Zeit und Geduld. Auch wenn es keine Ausbildung ist sondern eine Quali - zierung auf einfacherem Niveau, ist damit ein wichtiger Schritt zur geforderten Inklusion getan. Die Beschäftigen haben deutlich bessere Karten, falls eine Vermittlung auf einen betriebsintegrierten Arbeitsplatz ansteht. Und sie sind für höherwertige Tätigkeiten in der Werkstatt gerüstet.
Für eine ganze Palette von Ausbildungsberufen hat sich Yvonne Evers die Bildungs- rahmenpläne aus der freien Wirtschaft vorgenommen und sie mit ihren Kollegen in der Werkstatt an die Bedingungen für Menschen mit Behinderungen angepasst. Die jungen Erwachsenen können sich quali zieren zum Buchbinder oder Gärtner, sich in der Haus- wirtschaft weiterbilden oder zum Metallbauer (Konstruktionstechnik) mehr lernen. Die Inhalte sind gegenüber den Ausbildungsplänen auf dem ersten Arbeitsmarkt reduziert. Für die einzelnen Schritte braucht es teilweise Abbildungen und Piktogramme statt textlicher Beschreibungen.
Natürlich fehlt nicht der praktische Teil und in der Ausbildung zum Tischler das klassische Bild des Feilens. Schließlich muss gelernt werden, in welchem Winkel sie angesetzt und mit wieviel Druck eingesetzt werden muss. Das zeigt Marcus Westrup nach dem theoreti- schen Teil in der Holztechnik in einer anderen Ecke des großen Werkraums.
Die CWWN sind bundesweit Vorreiter im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Werk- stätten für Menschen mit Behinderung (BAG WfBM). In der Region haben sich dazu fünf Werkstätten zusammengetan im Netzwerk Beru iche Inklusion Niederrhein (BIN). Der Aufwand ist enorm und Yvonne Evers deswegen froh, "dass wir das Rad nicht immer neu er nden müssen". Über 100 Module sind in den Plänen hinterlegt, die durchaus mal über 70 Seiten umfassen. Aber der organisatorische Aufbau einer Firma oder Regeln zur Arbeitssicherheit können vielfach verwandt werden.
Acht Bildungsrahmenpläne liegen inzwischen vor, an der Quali zierung zum Koch wird gerade gearbeitet. Es sind Arbeitsfelder, die auch in den Behindertenwerkstätten angeboten werden. Das Bild vom klassischen Zählen und Verpacken von Schrauben passt da schon lange nicht mehr. Komplexe Aufträge werden abgewickelt und die Beschäftigten entsprechend ihren Mög- lichkeiten eingesetzt und gefördert.
Auch für die Quali zierung langjähriger Beschäftigter eignen sich die Bildungsrahmenpläne, deren Module mit den Gruppenleitern in der Werkstatt zusammen entwickelt werden. "Damit haben wir auch die Praxis im Boot", sagt Evers, die im Sozialdienst der Werkstatt in Rheinberg angesiedelt ist. Die Beschäftigten nden es gut, auch wenn die theoretische Durchdringung des Aktenordners zum Aufbau einer Firma schon mal ein Stirnrunzeln hinterlässt. Sie gewinnen mehr Selbstbewusstsein und können höherwertige Tätigkeiten übernehmen, so Evers.
Wenn der Schritt in die rauhere Welt des ersten Arbeitsmarkts oder als Zwischenschritt ein Wechsel in einen Integrationsbetrieb ansteht, erweist sich die parallele Quali zierung natürlich als deutlicher Vorteil. "Die Vergleichbarkeit kann leichter aufgezeigt werden und damit der neue Arbeitgeber besser einschätzen, was er von seinem neuen Mitarbeiter erwarten kann." sagt Yvonne Evers.
Aber auch für die, für die die arbeitsmarktnahe Quali zierung nicht in Frage kommt, gibt es An- gebote. Dafür sind Pläne entwickelt für eigene Ausbildungszweige wie zum Beispiel der "Verpa- cker", erläutert Evers.
Die Entwicklung der Bildungsrahmenpläne ist ein Beispiel für die stetige Entwicklung in der sozi- alen Arbeit der Caritas. Wohin es gehen kann und soll in den kommenden Jahren diskutiert die Caritas in der Diözese Münster in ihrem Strategieprozess Caritas2025. Dazu läuft noch bis zum 7. September eine breit angelegte Befragung der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter sowie der Bewohner, Patienten und Klienten in den Verbänden und Einrichtungen des katholischen Wohlfahrtsverbands. Mehr Informationen und Teilnahmemöglichkeit an der Befragung auf www. caritas2025.de.
067-2016 (hgw) 24. August 2017