"Die Auseinandersetzungen sind härter geworden," beobachtet der Leiter der Erziehungsberatung des Caritasverbandes für die Stadt Münster über die Jahre. Das ist einer der Gründe, warum die Fallzahlen in den Erziehungsberatungsstellen der Caritas in der Diözese Münster seit sechs Jahren auf hohem Niveau verharren, obwohl die Zahl der Kinder zurück geht. 11.337 Neuanmeldungen wurden in 2013 registriert und mit den noch nicht abgeschlossenen Beratungen gab es insgesamt 17.411 (2012: 17895) Fälle zu bearbeiten.
Nachdem 2009 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen (FamFG) in Kraft getreten ist, nutzen Familienrichter zunehmend die Möglichkeit, in strittigen Sorgerechtsverfahren eine Beratung anzuordnen. "Das kostet unglaublich viel Zeit", sagt Kaisen. Teilweise zöge sich so ein Fall über Jahre hin. In Münster hat die Caritas dafür zum Beispiel Gruppenarbeit unter dem Titel "Kinder im Blick" eingerichtet. Väter und Mütter treffen sich gleichzeitig in zwei getrennten Gruppen mit je einem Beraterpaar zu den gleichen Fragen, um das Verständnis für den Blick des anderen und vor allem für ihre Kinder zu fördern. Notfalls würden Eltern auch gleichzeitig eingeladen, aber in getrennte Räume, zwischen denen der Berater als "Schlichter" pendle.
Zusätzliche Aufgaben haben sich auch durch den höheren Anteil der U3-Betreuung und die Offene Ganztagsgrundschule ergeben. Kinder werden zunehmend in öffentlicher Verantwortung institutionell begleitet erzogen", sagt Kaisen. Durch die zusätzlichen Bezugspersonen, die es früher nicht gegeben habe, werden Problemlagen und Unterstützungsbedarf früher sichtbar. In Münster würden jetzt "Förderinseln" an Schulen gegründet. Heilpädagogen verknüpften dort ihre Arbeit mit den Heilpädagogischen Horten und der Erziehungsberatung.
Wachstum sieht Kaisen bei den Familien mit Migrationshintergrund. Sie nutzten immer mehr die "normalen" Beratungsstellen statt der speziellen Migrationsdienste. Ihr Anteil lag diözesanweit 2013 bei einem Fünftel aller Ratsuchenden. Das sei ein Schritt zur Integration, aber mit neuen Herausforderungen verbunden. Richtig beraten könne man sie nur, wenn man die zum Teil sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründe kenne. "Hier arbeiten wir eng mit den Kollegen im Migrationsdienst zusammen," sagt Ralf Kaisen.
068-2014 (hgw) 22. Juli 2014