Sie beziehen ergänzend Hartz-IV-Leistungen, um das Existenzminimum zu erreichen. Dies betrifft trotz Vollzeitstelle in der Stadt Münster zum Beispiel 399 Menschen, im Kreis Recklinghausen sogar 1.063. Aus Sicht der Caritas im Bistum Münster ist dies ein Skandal: "Unternehmen betreiben ihre Niedriglohnpolitik auf dem Rücken der Beschäftigten und der Steuerzahler, die das ausgleichen müssen", kritisiert Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann. Mit Armut trotz Arbeit beschäftigt sich der am Dienstag erschienene Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege in NRW.
Die Caritas fordert deshalb neue Strategien gegen Armut. Menschen dürften im Jobcenter nicht zu einer möglichst schnellen Annahme einer neuen Stelle gedrängt werden, wenn der Job schlechter bezahlt sei. Gefordert seien dagegen eine "individuelle Begleitung und Qualifizierungsangebote, die tatsächlich einen Ausstieg aus prekärer Beschäftigung ermöglichen", sagt Kessmann.
Aufgestockt werden muss insbesondere bei den geringfügig Beschäftigten mit 450-Euro-Jobs. Mit 44,1 Prozent ist deren Anteil an allen Erwerbstätigen, die Arbeitslosengeld II beziehen, in Kreis Borken besonders hoch, in Münster dagegen mit 35,7 Prozent deutlich niedriger. Im Durchschnitt betrifft dies in Nordrhein-Westfalen 37,2 Prozent.
Insbesondere betrifft die Erwerbsarmut Frauen. Jede vierte erhält in NRW vollzeitbeschäftigt nur einen Niedriglohn. Der Anteil bei Menschen ohne Staatsbürgerschaft und ohne Berufsabschluss ist mit jeweils knapp 39 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei allen Beschäftigten. Dies zeigt nach Ansicht von Kessmann nicht nur Fehler in der Arbeitsmarktpolitik sondern auch in den Bemühungen um Integration auf.
In der Statistik gibt es auch positive Entwicklungen im Vergleich zwischen Oktober 2018 und 2019. Die Zahlen der Langzeitarbeitslosen sind in fast allen Arbeitsamtsbezirken gesunken. Im Bistum Münster verzeichnen die Regionen mit der höchsten Arbeitslosigkeit die stärksten Rückgänge, Spitzenreiter ist hier der Kreis Recklinghausen mit einem Minus von 20,5 Prozent. Entsprechend ist auch die Zahl der in Bedarfsgemeinschaften lebenden Menschen zurückgegangen. Dabei liegt der Kreis Coesfeld mit einem Minus von sechs Prozent an der Spitze.
091-2019 (hgw) 17. Dezember 2019