Leben und Sterben in Würde
Fachkräfte und Ehrenamtliche in der Kranken-, Alten- und Hospizpflege stellten sich auf einem Fachtag im Diözesesancaritasverband Münster dem mit Angst besetzten Thema. Die Palliativmedizin will die verbleibenden Monate, Wochen und Tage für den Patienten so beschwerdefrei wie möglich gestalten. Eine hohe Lebensqualität und größtmögliche Selbstbestimmung sind das Ziel.
Die erste Palliativstation Münsters eröffnete 2007 im Herz-Jesu-Krankenhaus und ist mittlerweile eine von über 250 Stationen in ganz Deutschland. Chefarzt Dr. Wolfgang Clasen führte die Teilnehmer in die Grundlagen der Palliativmedizin ein. Starke Schmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit sind häufige Beschwerden der Patienten. Weil die schweren Erkrankungen nicht mehr geheilt werden können, bildet die Linderung der Symptome den Kern der Behandlung. Die letzte Lebensphase soll für die Betroffenen so angenehm wie möglich gestaltet werden, in dem zum Beispiel der Geschmackssinn verstärkt und so der Appetit angeregt wird. Eine palliative Versorgung ist nicht nur stationär möglich, sondern auch ambulant in gewohnter Umgebung der Menschen.
Clasen weiß, dass Beschwerden auch andere Ursachen als die eigentliche Erkrankung haben können. "Körperliche Symptome sind oft ein Spiegel psychischer Probleme" ergänzt Enka Gläseker. Für die Professorin für Gesundheit und Soziale Arbeit an der Fachhochschule Münster ist die Palliativmedizin eine ganzheitliche Behandlung, die auch psychologische, soziale und spirituelle Probleme einschließt. Regelmäßige Kommunikation zwischen Ärzten, Patient und Angehörigen helfen, Ängste und Sorgen herauszufinden und letzte Wünsche zu erfüllen. "Die begleitenden Gespräche sind das Haupthandwerkszeug", berichtet Wolfgang Clasen.
Aufgrund der vielfältigen Anforderungen an das Personal, sieht Gläseker in der palliativen Versorgung eine interdisziplinäre Aufgabe. Eine enge Zusammenarbeit von Fachkräften aus verschiedenen Disziplinen und Ehrenamtlichen sei entscheidend für eine erfolgreiche, ganzheitliche Behandlung. Im Herz-Jesu-Krankenhaus bilden zum Beispiel Ärzte, Pflegefachkräfte, Sozialarbeiter, Seelsorger, Physiotherapeuten und Musiktherapeuten ein Team. Auch die Einbindung von Ehrenamtlichen in der Sterbebegleitung ist wichtig. "Sie sind die Brücke zwischen Institution und Alltagswelt", weiß Gläseker. Momentan begleiten bundesweit etwa 90.000 Ehrenamtliche schwerstkranke und sterbende Menschen.
Die Diagnose einer unheilbaren Krankheit ist für Betroffene zunächst ein Schock, die Verarbeitung ein längerer Prozess. Das Team soll den Patienten "auffangen, aber keine falschen Hoffnungen machen", so die Professorin. Das Personal hilft die Krankheit anzunehmen und unterstützt den Patienten und seine Angehörigen in ihrem Abschiedsprozess. Die Angehörigen werden auch über den Tod hinaus betreut. Alle Teamkollegen geben dem Patienten die Zusage auf ein würdevolles Leben und Sterben. "Der einzelne Mensch zählt bis zu seinem letzten Atemzug", sagt Gläseker.
021/2016 (lu) 22. März 2017