Münster/Haltern
(cpm).
Die Jugendhilfe sitzt zwischen den Stühlen. Wissenschaft, Statistik und
Erfahrungen zeigen eindeutig einen wachsenden Bedarf an öffentlichen
Erziehungshilfen auf. Ebenso offensichtlich sind die öffentlichen Kassen
geleert. Die Kürzungspläne der Landesregierung im Zuge der Haushaltsberatungen
geben die Richtung vor und lassen den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der
Erziehungshilfen der Caritas in der Diözese Münster, Norbert Pastoors, nichts
Gutes ahnen. Denn auch wenn diese Kürzungen teilweise schon wieder
zurückgenommen worden sind, folgen noch die Sparbeschlüsse der Kommunen. Wohin
das führen kann, zeigen erste Beispiele. Die AGE warnte auf ihrer
Mitgliederversammlung am Mittwoch in Haltern davor, Jugendhilfe nach Kassenlage
zu bewilligen: “Dann sind Kinder und Jugendliche arm dran in einem nach wie vor
reichen Land”, sagte Pastoors. Der Spareffekt wäre kurzsichtig, denn die
verweigerten Hilfen müssten später mit Zins und Zinseszins bezahlt werden.
Der elfte Kinder- und Jugendbericht, der bei seinem Erscheinen
in diesem Jahr für Aufsehen gesorgt hatte, stellt einen wachsenden Bedarf an
öffentlicher Erziehung fest. Bedingt durch geänderte Familienstrukturen und der
wachsenden Berufstätigkeit beider Elternteile müsse die Jugendhilfe immer mehr
Angebote machen, sagte Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Leiter des Deutschen
Jugendinstituts in München und Mitautor des Berichts, auf der Versammlung. Ein
Fünftel aller Kinder wachse bereits als Einzelkind auf, so dass ein soziales
Umfeld immer wichtiger werde.
Indiz für den wachsenden Bedarf an öffentlicher Erziehung
sind trotz teilweise schon in der Vergangenheit restriktiver Bewilligungspraxis
die steigenden Zahlen, die die erzieherischen Hilfen melden. Da die Zahl der
Jugendlichen, die am häufigsten Unterstützung benötigen, auch in den kommenden
Jahren noch anwächst, ist vom Geburtenrückgang noch keine Entlastung zu
erwarten.
Diesen Erkenntnissen und Notwendigkeiten stehen die leeren
Kassen entgegen. Auch wenn die Landesregierung im Zuge der Haushaltsberatungen
einige der Kürzungspläne zurückgenommen hat, kommt das dicke Ende auf
kommunaler Ebene noch nach. Die Geschäftsführerin der AGE und Referatsleiterin
Kinder-, Jugend- und Familie im Diözesancaritasverband Münster, Barbara
Kick-Förster, berichtete, dass die ersten Verträge im ambulanten Bereich
gekündigt worden seien und es Beispiele für Bewilligung nach Kassenlage gebe.
Auch die Heimerziehung sei betroffen. Erst wird, so
Kick-Förster “der ganze Kanon an ambulanten Hilfen ausprobiert”. Oder Städte
und Gemeinden bewilligten nur dann eine Heimunterbringung, wenn zuvor ein
anderes Kind entlassen worden sei. Bei allem Verständnis für die schwierige
Haushaltslage sei dies nicht zu aktzeptieren. Gerade in wirtschaftlich
schwierigen Situationen müsse Kinder- und Jugendhilfe gemeinsam von
öffentlichen und freien Trägern gestaltet werden, so Kick-Förster.
Dabei ist die Jugendhilfe nicht, wie oft gerne in der
Öffentlichkeit dargestellt, der große Kostenfaktor. Lediglich 9,4 Prozent der
Ausgaben einer Kommune entfielen 1998 auf diesen Bereich. Jeder Bundesbürger
gibt jährlich 180 Euro für die Kinder- und Jugendhilfe, aber schon 310 Euro für
Sozialhilfe. Jedes siebte Kind wächst in einer einkommensschwachen Familie auf.
Auch in diesem Sinn, so Pastoors, seien Kinder und Jugendliche arm dran in
diesem Land.
Vor allem bedenklich findet die AGE, in der alle ambulanten
und stationären Angebote der Caritas in der Diözese Münster zusammengefasst
sind, dass die abzusehenden Kürzungen einmal mehr die ohnehin sozial
benachteiligten Familien besonders treffen werden. Norbert Pastoors, der auch
Heimleiter des Anna-Stifts in Goch ist, kündigte an, dass Caritas und AGE die
weiteren Haushaltsüberlegungen kritisch begleiten werden.
11.
Dezember 2002
Ansprechpartnerin:
Barbara Kick-Förster, Telefon:
0251/8901-268,
E-mail:
kfj.kick-foerster@caritas-muenster.de