Schwester Nikola: Umbruch in der Jugendhilfe
Das ging nicht soweit, dass sie einen Schlüssel mitbekamen, die Abmachung war, an ihr Fenster unten links im "Landhaus" des Vinzenzwerks Handorf zu klopfen. Sie stand dann mitten in der Nacht auf und wusste, dass ihre Schützlinge wieder gut "zuhause" angekommen waren.
Schwester Nikola hat keine Einrichtung oder einen Verband geleitet, so dass über sie wenig Archivmaterial vorliegt. Aber es gibt Zeitzeugen für die fast 50 Jahre, in denen sie in der Jugendhilfeeinrichtung in Münster-Handorf Kinder und Jugendliche begleitete. Sie steht in den 16 Lebensbildern der Festschrift zum 100jährigen des Diözesan-Caritasverbandes Münster für die vielen tausend Mitarbeitenden, die ihr Leben mit großem Engagement der sozialen Arbeit gewidmet und sie beständig fortentwickelt haben.
Als Schwester Nikola 1963 vom Orden "Unserer Lieben Frau" mit 25 Jahren in den Dienst entsandt wurde, war sie gefestigt im Glauben und eingeschworen auf die Ordensregeln. Aber wie damals üblich hatte sie keine pädagogische Ausbildung. Erst vier Jahre später besuchte sie einen entsprechenden Kurs. Das Umdenken in der Jugendhilfe hatte aber schon begonnen und Schwester Nikola stand dafür, die neuen Ansätze im Vinzenzwerk umzusetzen. 15 bis 20 Mädchen, untergebracht in einem Schlafsaal betreute sie anfangs. Einzel-und Doppelzimmer in einer von Alter und Geschlechtern gemischten, eher familienähnlichen Gruppe waren 2005 der Standard, als sie in den Ruhestand wechselte.
Ging es Anfang der 60er Jahre noch im wesentlichen darum, den Kinder Schutz vor Verwahrlosung und Missbrauch zu bieten und sie zu versorgen, so wurde auch Schwester Nikola bald klar, dass Erziehung und Vorbereitung auf ein selbständiges Leben hinzu kommen mussten.
Auch im Ruhestand bis zu ihrem Tod 2011 hielt Schwester Nikola Kontakt zu Ehemaligen des Vinzenzwerks. Auch das ein "familienähnlicher Ansatz", der ihr aus der eigenen Großfamilie nicht fremd war. Sie stammte aus einer bäuerlichen Familie und wuchs als eines von zehn Kindern in Wadersloh auf. Wie üblich ging sie nach der Volksschule zur Hauswirtschaftsschule und legte 1958 ihr Examen als Hauswirtschaftsgehilfin ab. Ihr Vater tat sich zwar schwer damit, dass sie sich wenig später entschloss, in den Orden der Schwestern Unserer Lieben Frau einzutreten, aber dass Töchter aus bäuerlichen Großfamilien diesen Weg einschlugen, war in den ersten Nachkriegsjahrzenten nicht unüblich.
Harald Westbeld%3