"Für Paare, die zum ersten Mal schwanger sind, ist es ein Dschungel", sagt Simone Nieß, Schwangerschaftsberaterin des Katholischen Sozialdienstes (KSD) in Lünen und Werne, "sie brauchen einen Fahrplan." Gemeinsam mit ihrer Kollegin Hildegard Wiegert-Fahnert unterstützt sie werdende Eltern bis zum dritten Lebensjahr des Kindes, wenn die Sorgen groß sind oder das Geld knapp wird.
Finanzielle Nöte sind ein Hauptanliegen, mit dem Eltern in spe sich an die katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen im Bistum Münster wenden. 85 Prozent der insgesamt 8.342 Frauen, Männer und Paare, die sich 2019 beraten ließen, erlebten durch eine Schwangerschaft einen finanziellen Engpass. Wer sich aber auskennt, kann unterstützende Leistungen erhalten, um schwangerschaftsbedingte Notlagen auszugleichen.
Die Bundesstiftung Mutter und Kind zahlte im vergangenen Jahr gut 1,5 Millionen Euro aus an knapp 3.000 KlientInnen der katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen im Bistum Münster. Hinzu kommen knapp 1,3 Millionen aus dem Bischofsfonds, ergänzt durch Soforthilfen und kommunale Hilfsfonds. Im Juli 2019 wurde zudem das "Starke-Familien-Gesetz" eingeführt. Unter anderem durch eine Erhöhung des Kinderzuschlags sollte es zu einer Verbesserung der finanziellen Situation von Familien beitragen. Die Bundesregierung selbst ging jedoch schon damals davon aus, dass lediglich 35 Prozent der berechtigten Familien die Leistungen in Anspruch nehmen würden. Simone Nieß und Hildegard Wiegert-Fahnert wissen warum: "Es ist einfach zu kompliziert." Beim Enträtseln komplexer Verfahren profitieren die Schwangerschaftsberaterinnen des KSD von ihrer vorherigen Tätigkeit als Rechtliche Betreuerinnen. Jetzt helfen sie werdenden Eltern dabei, Anträge zu stellen.
Zu tun bleibt für Ratsuchende dennoch genug. Für Anträge auf finanzielle Hilfen müssen bei Ämtern und Behörden Unterlagen vorgelegt werden. Um diese einzureichen, ist nicht immer ein persönlicher Termin in der Schwangerschaftsberatungsstelle notwendig. "Dokumente können ganz einfach und sicher über das Online-Portal gesendet werden", sagt Hildegard Wiegert-Fahnert. Der QR-Code an der Glastür zur Beratungsstelle verrät bereits: Das Team der Schwangerschaftsberatung ist persönlich und online zu erreichen. Das "Blended-Counseling", wie diese Beratungsform sich nennt, wurde 2019 in der katholischen Schwangerschaftsberatung ausgebaut und schon kurz darauf auf die Probe gestellt.
In Zeiten von Corona konnten persönliche Kontakte übergangsweise nicht stattfinden. Dafür zahlte sich die digitale Vorarbeit aus. Die Beraterinnen konnten ihre KlientInnen online gut begleiten - bei Antragsstellungen, aber auch in sozialen Notlagen. Hier bietet die Online-Beratung sogar einen Vorteil: Sie ist unabhängig von den Öffnungszeiten der Beratungsstelle. "Wer sich ein Problem von der Seele schreiben möchte, kann das auch um zwei Uhr nachts tun", sagt Hildegard Wiegert-Fahnert, "wir antworten in der Regel am nächsten Tag." Denn klar ist, dass neben Finanzfragen auch die Klärung menschlicher und gesundheitlicher Sorgen zu einem guten "Fahrplan für Schwangere" gehört.
077-2020 (bü) 31. Juli 2020